Unheimliche Begegnungen (German Edition)
lag.
Der Sarg öffnete sich und eine Gestalt in schwarzer Kleidung entstieg. Aus den dunklen Ecken des Schuppens kamen noch einige Gestalten.
Vinc zog seine Waffe. Er richtete sie gegen die Bedrohung. Entweder hatte die Waffe ihre Fähigkeiten der Abwehr verloren, oder sie konnte diesen Gestalten nichts anhaben. Sie gingen an seine Seite. Sie berührten ihn nicht, aber es war ihm, als führe ihn ein Zwang zum Richtklotz.
Die schwarze Gestalt aus dem Sarg zog das Beil aus dem Holz. Vinc gehorchte einem inneren Zwang, kniete sich nieder und legte seinen Kopf auf die Oberfläche. Die Gestalt hob das Beil.
***
Vanessa merkte, wie immer mehr die Klaue ihren Hals presste. Sie bekam kaum noch Luft. Der vor Kurzem noch hilflose sterbende Junge hatte übernatürliche Kräfte. Er war zu einem Kopf größer als Vanessa herangewachsen. Sie hatte keine Chance gegen ihn, das wusste sie.
In ihrer Verzweiflung versuchte sie dennoch eine Gegenwehr, wenn auch ohne Erfolg. Sie spürte einen Gegenstand. Es war das Heft des Dolchs. Sie zog an ihm mit letzter Kraft. Er gab nach und dann hatte sie ihn in der Hand.
Sie stach einige Male zu, aber sie spürte keinen Widerstand. Als sie wieder klar denken konnte und sie genauer hinsah, merkte sie, dass sie ständig in die Luft gestochen hatte. Unter ihr lag friedlich der Junge.
***
Vinc wusste, sein Leben war verwirkt. Er konnte sich gegen seine Enthauptung nicht mehr wehren. Er hörte die Glocke der Kapelle einmal schlagen. Er spürte den Luftzug des Beils, das neben seinem Kopf in das Holz einschlug. Aber er spürte keinen Schmerz. Wieso sah er noch alles?
Er erblickte die Holzwand vor ihm. Er drehte den Kopf zur Seite. Kann man das abgetrennte Haupt überhaupt zur Seite drehen und etwas sehen? Eigenartig, warum blieb ihm die Zeit, über so etwas noch nachzudenken? Er sah das Beil neben sich, aber keine Gestalten mehr.
Er richtete sich ungehindert auf. Sein erster Blick erfasste den geschlossenen Sarg.
Ringsum war kein Leben und Stille. War das nur eine Illusion gewesen?
Er schaute auf den Richtklotz. Doch er konnte kaum etwas erkennen. Der Mond schien bei dem Glockenschlag untergegangen zu sein.
Er schritt näher an den Klotz. Da sah er deutlich, dass das Beil nicht an dem Ort steckte, den er gesehen hatte, als er es das erste Mal erblickte. Und noch etwas Merkwürdiges fiel ihm auf. Das Schwert, das am Klotz gelehnt hatte, war verschwunden.
Er nahm eilends den Spaten und den Pickel und verschwand so schnell wie möglich von diesem unheimlichen Ort. Er wollte auch nicht wissen, was da geschehen war.
Er sah seine Freundin vor dem Jungen stehen. Als er näher zu ihr kam, erblickte er ihr verstörtes Gesicht und sein Blick fiel auf den Dolch in ihren Händen. Sie erzählte ihm das Geschehen, das zeitgleich mit seinem ablief.
Doch er wollte sie nicht beunruhigen, und wie er richtig erkannte, ihre Nerven, die bis zum Reißen gespannt schienen, nicht noch mehr belasten, daher verschwieg er vorerst sein Erlebnis. Sie konnten nicht ahnen, dass dies zum Spiel der bösen Mächte gehörte, um sie von ihrem Vorhaben abzuschrecken. Denn sie konnten sie auf der hellen Seite nicht töten.
Sie schaufelten das Grab auf, um den Jungen hineinzulegen. Dabei hörten sie diesmal eine Melodie, gleich als würden unterschiedlich gefüllte Weingläser am Rand mit den Fingern gerieben und dazu noch Kinderstimmen wie die eines himmlischen Chors begleiten.
Sie ahnten, dass nun Friede in die Seele des Jungen gekehrt war. Allerdings gingen ihnen die Erlebnisse Vanessas nicht aus dem Sinn.
Vinc betrachtete sich den Dolch genauer. „Da ist der Name des Tyrannen eingeschnitzt.“
Sie legten ihn mit ins Grab, vielleicht konnte der Junge damit Rache im Jenseits üben.
Sie verließen den Friedhof und wandelten schweigend nebeneinander.
Vinc gingen viele Gedanken durch den Kopf. Er überlegte, ob seine geplante Enthauptung nur eine Vision, oder ob bereits der bösen Seite gelungen war, hierher zu kommen. Was hatte das alles beendet?
Die Umgebung des Friedhofs war ihnen fremd. Sie hatten ihn nur durch Zufall entdeckt, als sie einmal hörten, dass hier der Eingang zur dunklen Seite wäre. Sie wussten nicht, wieso sie überhaupt hierher gefunden hatten. Oder wurden sie gelenkt?
Sie waren über eine viertel Stunde gegangen, als sie eine Schlucht erreichten. Das Gelände war schwierig und einen Weg gab es nicht.
Die Schlucht war sehr schmal und bohrte sich in kurzen Krümmungen zwischen die
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