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Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Titel: Unheimliche Begegnungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Vehler
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Ohne dem zu lauschen, wären wir wohl schnell weiter gegangen und hätten den Jungen nicht gehört.“
    Vinc nickte: „Die Schergen des Tyrannen haben den Jungen gefoltert, um zu erfahren, wo das Lager der Geächteten ist. Nur waren das keine Kinder aus den Lagern, sondern, wie ich einmal irgendwo gehört habe, sind viele Eltern, die im Verdacht standen, einfach hingerichtet worden. Man hat die Schwächsten, die Kinder, als Geiseln genommen, um die Geächteten aus den Verstecken zu locken. Doch die Rechnung ging nicht auf. So folterte man die Armen, nehme ich an.“
    Vanessa legte den Jungen so sanft auf den Boden, als habe sie Angst, ihm im Tod noch weh zu tun.
    „Wir müssen ihn beerdigen“, sagte Vinc und sah sich nach einer geeigneten Grabstätte um. Es waren viele kleine Hügel und nur ein großer. Er dachte mit Schauder daran, dass der große Hügel wohl ein Massengrab war, worin die jungen Körper verscharrt wurden. Einige frisch aufgeworfene Haufen hatten am Ende kleine hölzerne Symbole der Ykliten, anscheinend in aller Eile zusammen gezimmert, denn sie drohten bereits auseinanderzufallen.
    Eines aber war groß und gut erhalten und auch der frische Hügel war höher, breiter und auch länger. In erkennbaren Lettern war auf dem Holz Folgendes eingebrannt: „Diese Mutter ist von uns gegangen, um ihr Kind zu suchen“.
    Vinc zeigte Vanessa diese Stätte. Sie meinte: „ Eine seltsame Inschrift. Ich glaube, wenn es vielleicht auch nicht ihr Kind ist, so begraben wir den Jungen hier.“
    Vinc war ihrer Meinung, fragte aber, während er sich umsah: „Und mit was?“
    Sie blickte ebenfalls in die Runde: „Vielleicht ist in dem Gerätehaus da hinten ein Spaten oder so etwas Ähnliches.“
    „Du bleibst bei dem Jungen. Ich schau nach.“ Er sah ihr Zögern. „Oder hast du Angst, alleine zu bleiben?“
    Sie schüttelte den Kopf. Sie wäre sowieso nicht von dem Jungen weg gegangen. Sie wollte ihn noch ein wenig herrichten, denn wie ein Lump sollte er nicht begraben werden, wenn sie auch an seiner Kleidung wenig ändern könnte, so würde sie versuchen, wenigstens sein Gesicht zu reinigen, wenn es auch später wieder durch die Erde des Grabes verschmutzt würde. Doch von seiner Heimat Arganon sollte er sich mit einem reinen Gesicht verabschieden.
    Sie hatte keine Flüssigkeit und keinen Lappen, um ihn reinigen zu können. Sie nahm ein Fetzen von seinem Hosenbein und ließ etwas von ihrer Spucke auf sein Gesicht laufen. Dabei sah sie aus einem Blickwinkel heraus Vinc in den Schuppen verschwinden.
    Sie bemerkte nicht, wie sich das Gesicht des Jungen in eine hässliche Fratze verwandelte, das Gesicht grün wurde. Er veränderte sich in ein Monster, gleich einem Vampir, nur mit wolfsähnlichen Zügen. Sie sah erst die Gefahr, als sie wieder ihre Spucke auf sein Gesicht laufen lassen wollte. Aus dem zuvor noch bedauernswerten Jungen war nun ein mordendes Ungeheuer geworden. Es stand aufrecht und sah Vanessa in die Augen, dann umschlang er mit seiner Pranke ihren Hals.
 
    ***
     
    Vinc war inzwischen an dem Schuppen angelangt und er sah hinter sich. Er bemerkte, wie seine Freundin sich liebevoll dem Jungen widmete.
    Es war ein altes Gebäude, aus Brettern gezimmert. Die schräg in den Zargen hängende Tür schien jeden Moment abbrechen zu wollen. Er versuchte sie zu öffnen. Unter viel Mühe gelang es ihm. Sie knarrte und quietschte dabei, dass es ihm durch Mark und Bein ging.
    Innen war es zwar dunkel, aber durch ein Fenster und die geöffnete Tür drang das Mondlicht herein und beleuchtete das Innere mit einem gespenstischen silbernen Licht. Es stand ein Sarg an der rechten Seite und ihm gegenüber auf der linken, ein Tisch, der Vinc an den eines Metzgers erinnerte. Klobig und mit Blut verschmiert. Seinem Eingang gegenüber standen einige Gerätschaften. Darunter auch ein Pickel und eine Schaufel. Als er sich den Pickel und die Schaufel holen wollte, sah er am Ende des Tisches, wo ihn vorher der Einblick verwehrt war, einen Richtklotz, an dem ein Schwert lehnte, ein Scharfrichterbeil war in die obere Fläche des Klotzes gehauen.
    Eine merkwürdige Einrichtung des Gerätehauses eines Friedhofs, dachte sich Vinc. Dann schaute er wieder zum Sarg. Er traute dieser Örtlichkeit nicht, er rechnete damit, dass sich jeden Moment etwas Ungewöhnliches ereignen könnte. Sich der Sarg öffnen, oder gar eine Hinrichtung stattfinden würde. Vielleicht seine Eigene? Er wusste noch nicht, wie richtig er mit seiner Vermutung

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