Unit Kill
der die 63 abzweigte, hatte sich Schmidt noch schnell das Schild angeschaut, das dort aufgestellt worden war. Es war ein Umleitungsschild, er ließ es stehen. Schmidt fing an zu rechnen. Wenn die N15 in der anderen Richtung ebenfalls gesperrt war, dann hätten sie vielleicht doch noch etwas mehr Zeit zur Verfügung, als er anfangs befürchtet hatte. Dreißig, vielleicht vierzig Minuten, dann würde die die Polizei vor Ort eintreffen. Die glauben vermutlich zuerst mal nichts, wenn sie angerufen werden. Vielleicht schicken sie dann aber Hubschrauber? Bis Geiranger müssten wir noch unbehelligt durchkommen, dachte er. Weit waren sie nicht gekommen, auf ihrem Weg nach Deutschland.
In Geiranger angekommen, mieteten sie sich auf der anderen Seite des Fjords auf dem Campingplatz im Ortsteil Homlong eine große Hütte. Das zweite Team, das über Andalsnes und Dombas auf die E6 in Richtung Oslo wollte, kehrte ebenfalls um und quartierte sich in einer Hütte auf einem idyllischen Campingplatz außerhalb von Andalsnes ein. Sie waren weitab vom Schuss. Das konnte man von Schmidts Trupp nicht sagen. Obendrein hatten sie einen Verletzten und einen Gefangenen.
Schmidt saß im Wohnzimmer der Hütte und überlegte fieberhaft, was schief gelaufen war. Er sah missmutig zu Paulson hinüber, der gefesselt auf einem Stuhl saß und es für besser hielt, zu schweigen. Ihre Situation war ziemlich unangenehm. Ein derartiges Feuergefecht, nur etwa fünfzig Kilometer Luftlinie von U 37 entfernt. Ein Verletzter. Ein Gefangener. Und oben auf dem Veslje-Fjell lagen vier von Kugeln und Schrot zerfetzte Leichen inmitten einer stattlichen Menge von automatischen Waffen und Raketenwerfern. Mittlerweile war garantiert ein Großeinsatz der Polizei mit Straßensperren und wer weiß was sonst noch alles angelaufen. Schmidt schüttelte seine depressiven Gedanken ab. Das kann ich mir jetzt nicht leisten, dachte er. Ich muss jetzt zu allererst die Jungs in Sicherheit bringen.
Er nahm das schwere, unförmige Mobiltelefon, das er dem Söldner, der Kleinfeld niedergeschossen hatte, abgenommen hatte und blickte es eine Weile versonnen an. Der Mann schien der Anführer gewesen zu sein. Es war wie durch ein Wunder völlig unbeschädigt geblieben und immer noch eingeschaltet. Das war kein normales Handy, dachte Schmidt. Er drückte ein paar Tasten und hatte plötzlich eine Liste der letzten Anrufer und Angerufenen vor sich. Es war nur eine einzige Nummer! Schmidt drückte einem plötzlichen Impuls folgend auf die grüne Wahltaste, hielt das Gerät ans Ohr und wartete. Es knackte und eine Stimme meldete sich. „Endlich Lacombe, wie sieht es bei Ihnen aus, warum melden Sie Sich nicht, verdammt noch mal?“ Schmidt erkannte die Stimme sofort und drückte die rote Taste, um das Gespräch zu beenden. Er brütete einige Minuten mit düsterer Miene vor sich hin. Seine Männer hatten seinen Stimmungsumschwung mitbekommen und hielten es für besser, zu schweigen. Minutenlang sagte in der Hütte niemand auch nur einen einzigen Ton.
Schmidt blickte nachdenklich auf Kleinfeld, seine Blutung war weitgehend gestoppt und er befand sich in Folge der starken Schmerzmittel in einem leichten Dämmerzustand. Heinze, der eine Rettungssanitäter-Ausbildung hatte, kümmerte sich permanent um ihn.
Wie weit ist es mit uns gekommen, fragte sich Schmidt. Er wendete sich von dem Verletzten ab und sah aus dem Fenster. Habe ich mich dafür andauernd versetzen lassen, habe ich dafür mein Familienleben ruiniert? Schmidt verfiel immer mehr in eine depressive Stimmung. Er hatte vor nicht ganz zwei Stunden mit seinen Leuten zusammen vier Menschen getötet und einer seiner eigenen Leute war ernstlich verletzt. Natürlich war ihm, genau so wie allen anderen dieser Einheit, klar gewesen, das bei ihren Aufträgen, diesem wie allen anderen, die noch folgen würden, Menschen zu Schaden oder zu Tode kommen würden. Aber eigentlich sollten sie gegen Terroristen zu Felde ziehen, gegen Leute, die ansonsten furchtbare Anschläge verüben würden. Und jetzt? Jetzt wurden sie selbst gejagt. Nicht etwa von Terroristen, sondern von der US-Navy. Sie wurden von Söldnern in einen Hinterhalt gelockt. Söldnern, die offensichtlich vom deutschen Bundesnachrichtendienst angeheuert wurden. In Schmidt flammte wieder der Hass auf, Hass auf die Verantwortlichen, die ihn gezwungen hatten vier Menschen gnadenlos zu töten. Es machte ihm immer noch zu schaffen, dass er den Vieren keine Gelegenheit geben konnte, sich zu
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