Universum der Doppelgänger
nie gehört, daß die Gräfin verheiratet war«, sagte Rodolfo in einem gefährlichen Ton. Er füllte sein Glas auf und stürzte den Branntwein hinunter. »Geschweige denn, daß sie geschieden ist«
»Sie ist ein liebenswerter Mensch«, fuhr Lafayette eilig fort. »Humorvoll und heiter …«
»Die intimen Enthüllungen können Sie sich schenken«, schnappte Rodolfo. Er nagte auf seiner Lippe. »Man fragt sich, welche Kränkung Sie ihr zufügten, daß die Gräfin soviel Abscheu für Sie empfindet. Hauptmann Ritzpaugh meldete, daß Sie die Gräfin auf der Straße anzusprechen versuchten und mit einer Reitpeitsche zurückgewiesen wurden.«
»Er ist ein sehr scharfer Beobachter«, sagte Lafayette. »Was die Kränkung betrifft, so … Nun, ich glaube, es begann mit Krümeln im Bett …« O’Leary sah schwarzen Groll in die fürstlichen Züge kommen. »Krümel ist ihre Katze«, improvisierte er hastig. »Sie bestand darauf, mit ihr zu schlafen. Und da ich allergisch gegen Katzen bin – nun, Sie können sich vorstellen, daß es nicht viel von einer Ehe war.«
»Sie meinen, Sie waren nie … Sie haben nie …«
»Richtig.« Lafayette benützte seine Spitzenmanschette, um den Schweiß von seiner Stirn zu wischen. Dann füllte er sein Glas mit einem belebenden Schluck aus der Karaffe.
»Das ist gut für Sie, Lancelot«, sagte Rodolfo mit stahlharter Stimme. »Andernfalls wäre ich gezwungen, Ihre sofortige Exekution anzuordnen.«
»Fangen wir nicht wieder davon an«, sagte O’Leary, unter der Wirkung des starken Alkohols erschauernd. »Sie ließen mich aus einem bestimmten Grund hier heraufbringen, nicht wahr?«
Der Fürst begann mit seinen Fingern auf den Tisch zu trommeln. »Ich fühle eine starke Zuneigung für die Dame«, sagte er. »Infolgedessen lud ich sie ein, ein Wochenende mit mir in meinem Winterpalast zu verbringen. Statt sich geehrt zu fühlen und mein Angebot mit Freuden anzunehmen, berief sie sich auf eine frühere Verabredung mit einer betagten Verwandten.«
»Und?«
»Vielleicht bin ich überempfindlich, aber ich glaubte in ihrer Haltung eine Andeutung von Kälte auszumachen.« Der Fürst füllte sein Glas von neuem auf.
»Vielleicht sind Sie nicht ihr Typ«, meinte Lafayette, nahm die Karaffe und folgte dem Beispiel des anderen.
»Nicht ihr Typ? Wie meinen Sie das?«
»Nun, zum Beispiel sind Sie alt genug, um ihr Vater zu sein«, sagte Lafayette.
»Das ist unwichtig!«
»Für sie vielleicht nicht. Außerdem haben Sie – wenn Sie meine Freimütigkeit verzeihen wollen – nicht gerade eine fidele, unbekümmerte Natur. Daph, ich meine die Gräfin Andragorre ist ein lebensfrohes Mädchen, das gern einen Spaß hat …«
»Eine fidele Natur? Wie kann ich unbekümmert sein, belastet mit Staatsgeschäften, Verdauungsstörungen, Schlaflosigkeit und einer ungünstigen Zahlungsbilanz?« Der Fürst ergriff die Karaffe und füllte sein Glas, sah verspätet, daß Lafayette ausgetrunken hatte, und schenkte auch ihm nach.
»Das ist es eben, Euer Gnaden. Lauter Arbeit und kein Spiel macht Rodolfo zu einem langweiligen Kerl.«
»Lauter Arbeit und kein … Bei Gott, Lancelot, das ist gut!« Sie stießen mit den Gläsern an und tranken. Der Fürst leckte sich nachdenklich die Lippen. »Jetzt sehe ich es! Welch ein Idiot bin ich gewesen! Warum bin ich nicht einfach offen zu ihr gegangen und habe ihr einen lustigen Nachmittag in unserem Stadtmuseum vorgeschlagen, wo wir die größte Mumiensammlung des Kontinents haben? Oder vielleicht einen ausgelassenen Abend mit Canasta und Sekt? Aber nein; was ich ihr anbot, waren Staatsbankette und Karten für die Zuschauerloge bei den wöchentlichen Sitzungen des Staatsrats.«
»Recht so, Rodolfo.« Diesmal schenkte Lafayette ein. »Sie könnten sogar aufs Ganze gehen und einen Spaziergang im Park vorschlagen, oder Baden am Strand, oder vielleicht ein Picknick im Grünen. Nichts ist besser geeignet als ein paar Ameisen im Kartoffelsalat, um die Barrieren niederzureißen. Prost.«
»Natürlich, mein Junge! Warum ist mir das nicht eher eingefallen?« Rodolfo füllte die Gläser und verschüttete Branntwein über die Tischplatte. »Ich war ein Dummkopf. Ein schwerfälliger, einfallsloser Idiot!«
»Machen Sie sich keine zu schweren Selbstvorwürfe, Euer Gnaden«, sagte O’Leary, das Glas hebend. »Schließlich haben Sie das Fürstentum zu regieren …«
»Richtig. Aber von nun an wird alles anders sein, dank deiner guten Ratschläge, mein Junge. Komm, darauf stoßen
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