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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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habe ich eine feste Einrichtung daraus gemacht, an zwei Nachmittagen in der Woche, und außerdem habe ich mehrere Lager mit kleinen Gruppen organisiert. Die Mädchen sehen mich nicht als Therapeutin, obwohl mein professioneller Hintergrund sicher hilfreich ist. Im Grunde bin ich nur ein Mensch, mit dem sie reden können.«
    »Hatten Sie jemals Gelegenheit, sich mit Rachel anzufreunden?« Stride sah Nancy ins Gesicht und wartete auf eine Reaktion. Aber da war nichts, kein Zucken, kein Versuch, etwas zu verbergen. Nur immer derselbe ungerührte Blick.
    »Ich habe sie gekannt«, sagte Nancy, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
    »Wie gut?«
    »Wir haben uns ein paar Mal unterhalten. Sie gehörte nicht zu meinen regelmäßigen Gästen. Und ich sagte ja bereits, sie war nie mit in den Lagern.«
    »Warum hat sie Sie aufgesucht?«
    Nancy schwieg einen Moment und sah Stride mit ruhigem Blick an. »Das darf ich nicht sagen«, antwortete sie schließlich.
    »Warum nicht?«, fragte Stride verärgert. »Sie haben mir doch gerade erst erklärt, das wären keine professionellen Beziehungen, also gilt hier ja wohl keine Schweigepflicht.«
    »Ob die Schweigepflicht gilt oder nicht, hängt davon ab, wie Rachel die Beziehung wahrgenommen hat und ob sie mich als Therapeutin betrachtet hat.
    Aber das ist im Grunde gleichgültig. Sie hat mir gewisse Dinge unter der Bedingung erzählt, dass ich sie streng vertraulich behandele. Ich sollte keinem Menschen davon erzählen. Und wenn ich mir den Ruf einhandele, nicht vertrauenswürdig zu sein, kann ich in diesem Bereich nicht mehr erfolgreich arbeiten, Detective.«
    »Aber wir haben es doch jetzt mit einer neuen Situation zu tun. Das Mädchen ist verschwunden. Wenn etwas von dem, was sie Ihnen erzählt hat, uns helfen kann, sie zu finden, dann sind Sie es Rachel schuldig, uns das zu sagen.«
    Nancy schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, da haben Sie Unrecht.«
    »Dr. Carver, das Mädchen ist vielleicht in Gefahr«, beharrte Stride.
    »Glauben Sie mir, Detective, ich weiß absolut nichts, was Ihnen helfen könnte, sie zu finden.«
    »Sie haben heute anderen Lehrern gegenüber geäußert, dass Sie glauben, wir würden Rachel nicht finden. Warum? Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie haben auch Kerry nicht gefunden«, gab sie zur Antwort.
    »Haben Sie Grund zu der Annahme, dass zwischen den beiden Fällen ein Zusammenhang besteht?«
    »Nein, das wollte ich damit nicht andeuten. Ich habe keinen Anlass, das zu glauben.«
    »Aber trotzdem sind Sie überzeugt, dass wir Rachel nicht finden werden«, sagte Stride noch einmal.
    »Ich bin nicht überzeugt, dass sie überhaupt gefunden werden will«, sagte Nancy.
    Stride kniff die Augen zusammen. Er stemmte sich aus dem Sessel, beugte sich vor und schloss beide Hände fest um die Schreibtischkante. So baute er sich vor Nancy Carver auf, wie um sie dazu zu bringen, seine Anwesenheit körperlich zu spüren. »Wenn Sie Informationen haben, Dr. Carver, dann will ich das wissen. Zwingen Sie mich nicht dazu, mit einem Haftbefehl wiederzukommen.«
    Nancy blieb ungerührt. Sie wich seinem Blick nicht aus und sah ihn herausfordernd an. »Tun Sie das ruhig, Detective. Sie können mich nicht aufgrund von Vermutungen verhaften, und Sie können mich auch nicht zwingen, Ihnen etwas zu sagen, das ich nicht weiß. Ich habe es Ihnen bereits gesagt, und ich sage es Ihnen noch einmal: Ich weiß nicht, wo Rachel ist. Ich weiß auch nicht, was mit ihr passiert ist. Und ich habe keine Informationen, die Ihnen helfen könnten, sie zu finden.«
    »Aber Sie glauben, dass sie noch lebt«, sagte Stride. »Sie glauben, dass sie aus eigenem Antrieb fortgegangen ist.«
    »Ich werde Ihnen sagen, was ich glaube, Detective. In sechs Monaten wird Rachel Deese achtzehn. Dann können Sie sie nicht mehr zurückholen, selbst wenn Sie sie finden sollten.«
    Stride schüttelte den Kopf. »Sie helfen ihr nicht mit Ihrem Schweigen. Wenn sie ausgerissen ist … wenn sie einen Grund hatte auszureißen, dann muss ich das wissen. Ich habe mit ihrer Mutter gesprochen. Ich weiß, was für Kämpfe die beiden ausgefochten haben. Aber allein und ohne Hilfe kann Rachel in große Schwierigkeiten geraten. Muss ich Ihnen wirklich erklären, wie das Leben einer jungen Ausreißerin aussieht? Wie viele landen auf der Straße? Wie viele sind zur Prostitution gezwungen?«
    Einen Augenblick lang glaubte er die Oberhand zu gewinnen. Er sah einen Anflug von Schwäche in Nancys Augen. Sie wusste, dass er Recht hatte. Doch

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