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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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Jahrtausenden leeren Augenhöhlen an. Was versuchte Allardyce vor ihm zu verbergen? Wahrscheinlich gar nichts. Dazu war er nicht clever genug. Er schien sich wohl dafür entschieden zu haben, dass der beklagenswerte Nachtwächter von dem Einbrecher, den er gestört hatte, gemeuchelt worden war und der Fall somit auch gleich zu den Akten gelegt werden konnte. Dennoch, was war es wohl Allardyce´ Meinung nach wert, von einem Professor der Evolutionsbiologie gestohlen zu werden? Offensichtlich nichts, was ihn noch mehr Polizeiarbeit hätte verschwenden lassen, soviel war sicher.
    Ulysses passierte den skelettierten Meeresgiganten und stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf, um sich erneut auf den Weg in den Darwin-Flügel zu machen. Er war menschenleer. Keine Polizeipräsenz war zurückgeblieben. Noch nicht einmal Licht brannte irgendwo in dem Museum. Ulysses vermutete, dass man sich nach dem Mord an dem Nachtwächter und dem möglichen Verschwinden einer ihrer Leute dazu entschieden hatte, dass es durchaus in Ordnung war, früher nach Hause zu gehen. Nicht, dass künstliches Licht nötig gewesen wäre, sich umzusehen. Hier in der Galerie reichten der monochrome Schein des Mondes und der orange Schimmer der Lichter der Stadt, der durch die riesigen Fenster sickerte, völlig aus. Ulysses lenkte seine Schritte in die Galerie. Zwar hatte die Polizei den Körper des Nachtwächters entfernt, doch Flecken getrockneten Blutes zierten noch immer das zerschlagene Glas der Vitrine. Ulysses hielt inne, bevor er sich dem zerstörten Büro zuwandte.
    »Das ist das Büro Ihres Vaters, fürchte ich.«
    Geneviève keuchte und presste eine Hand auf den Mund. Allardyce´ Männer hatten sich wahrlich wenig Mühe gemacht, den Tatort abzusichern. Die Teile der zertrümmerten Tür waren noch immer gegen die Wand gestützt und Fetzen von schwarzem und gelbem Absperrband waren beiläufig am Eingang zum Büro angebracht worden. Ulysses ergriff das Band und zerrte es mit einem verächtlichen Knurren hinfort.
    »Sollten Sie das wirklich tun?«, fragte Geneviève besorgt.
    »Sollte die Metropolitan Police untätig bleiben, obwohl Ihr Vater als vermisst gilt?«
    Er holte eine Taschenlampe von irgendwo aus seinem Mantel hervor und richtete den harten weißen Lichtstrahl in das Büro. Das Licht wurde von zerbrochenem Glas zurückgeworfen. Augenscheinlich war die Forensik hier fertig, und sie hatte sich zudem bemüht, alle Überbleibsel zu beseitigen, die den Boden beinahe unbegehbar gemacht hatten. Glas und zerbrochene Möbelstücke waren in jeder Ecke des Raumes zu Haufen gekehrt worden. Vorsichtig stieg Ulysses in Professor Galapagos´ „zweites Zuhause“ hinein, welches er neben seinem eigentlichen Zuhause besaß. Noch immer lag ein feiner Geruch von Anis und verdorbenem Fleisch in der Luft. Geneviève blieb kurzatmig luftholend auf der Türschwelle stehen.
    »Ist schon gut«, sagte Ulysses, »es ist alles in Ordnung. Vertrauen Sie mir.« Er leuchtete in eine entfernte Ecke des Labors. Noch immer konnte man erkennen, wo die Differenzmaschine von dem Schreibtisch entwendet worden war. Es schien, als habe sich jemand einige Mühe gemacht, die Papiere zusammenzutragen, die überall verteilt gewesen waren. Waren einige dieser Papiere etwa von der Polizei zur näheren Prüfung mitgenommen worden? Welche Geheimnisse würden sie offenbaren? Noch wichtiger allerdings war, welche Informationen sich auf der entwendeten Rechenmaschine finden würden.
    »Ihr Vater benutzte eine Differenzmaschine für seine Arbeit?«, fragte Ulysses, während er pingelig jeden Zoll der Wand und der Flächen um den Schreibtisch herum inspizierte.
    »Ich glaube«, antwortete Geneviève. »Tut das nicht jeder?«
    »Gewiss.« Der Lichtstrahl glitt über diverse kleine und nun zerbrochene Vitrinen, in jeder davon war eine ausgestopfte Kreatur enthalten, von Taxidermisten konserviert für die Ewigkeit. Da waren ein Quastenflosser, ein Kaiman und einige kleinere Arten von Primaten, deren Gesichter zu aggressiven oder entsetzten zähnefletschenden Grimassen verzerrt waren.
    »Können Sie feststellen, ob mein Vater von hier entführt wurde?«, fragte Geneviève.
    »Es gibt Anzeichen eines Handgemenges, soviel steht fest. Aber sind sie zugleich auch Zeichen einer Entführung?«
    War der Professor etwa zur gleichen Zeit verschleppt worden, als der Dieb seine Differenzmaschine stahl? Falls dem so war, müssten allerdings mehr als ein Übeltäter am Werk gewesen sein, und einer von

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