Unsanft entschlafen
großer
Augenblick, den ich mir keinesfalls entgehen lassen wollte. Ich hob den Blick
zu den drei verblüfften Gesichtern der Schauspieler, einschließlich Ian Vertaines , und sagte mit lauter Stimme: »Verdammt noch mal,
die Stimmung ist sowieso im Eimer. Geht für sechs Monate in Urlaub, Kinder, ich
bringe inzwischen den Regisseur um!« Dann verschaffte ich mir einen klassischen
Abgang durch die Seitentür, während mir die drei mit offenen Mündern
nachstarrten.
Williams stand wartend am Ende
des Flurs und klopfte ungeduldig mit einem Fuß auf den Boden. Als ich ihn
eingeholt hatte, führte er mich in ein Büro und schloß die Tür hinter uns.
Während er sich hinter einem übergroßen Schreibtisch niederließ und sich
bemühte, wieder seine weltmännische Miene aufzusetzen, steckte ich mir eine
Zigarette an und zog mir demonstrativ einen harten Stuhl herbei.
Der Regisseur guckte ausgiebig
auf seine Armbanduhr und wandte mir dann seinen Blick zu. »Ich habe Ihnen fünf
Minuten gegeben«, sagte er scharf. »Zwei davon haben Sie bereits vergeudet.«
»Diese Art Dialog können Sie
sich vielleicht bei Ian Vertaine erlauben, der sich nicht zur Wehr setzen
kann«, erwiderte ich. »Bei mir müssen Sie sich schon einen anderen Ton
einfallen lassen.«
Sein Gesicht wurde hochrot.
»Ich lasse mich doch nicht beleidigen. Schon gar nicht von einem... einem...«
»Privatdetektiv«, half ich ihm
auf die Sprünge. »Und sicherlich erinnern Sie sich auch noch an den Namen Boyd.
Vor zwei Jahren konnte Mannie Karsh Sie in Angst und Schrecken versetzen, aber
das ist beim augenblicklichen Stand der Dinge reine Vergangenheit. Nachdem
Irene Mandells Garderobiere gestern
abend ermordet wurde, dürfte die Polizei ausgesprochen unangenehm
werden, falls Sie mit Ihrem Wissen hinter dem Berg halten.«
Plötzlich verlor Williams
seinen kriegerischen Gesichtsausdruck. »Woher wissen Sie von Karsh?« fragte er
ruhig.
»Das gehört zu meinem Beruf«,
erwiderte ich. »Ich weiß eine ganze Menge — von der Wochenend-Party in
Hurlingfords Haus auf Long Island und den Gästen, die dort waren - Sie zum
Beispiel. Dann waren noch die Schwestern Mandell dabei, Lou Kestler... Barney
Meekers wurde nicht eingeladen, aber wie war das mit Roger Lowell?«
»Er war da.« Williams kaute auf
seiner Unterlippe herum. »Hören Sie, es tut mir leid, falls ich Sie falsch
eingeschätzt haben sollte, Boyd. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich dachte
nur, Sie stöbern da in alten Geschichten und rühren allerhand Dinge auf, die
niemandem guttun, auch mir nicht. Aber nachdem Jenny Shaw ermordet worden ist,
verstehe ich natürlich...«
»Die schönen Worte können Sie
sich sparen«, unterbrach ich ihn schroff. »Ich möchte wissen, was an jenem
Wochenende vorgefallen ist. Warum ist Irene Mandell gerade damals
verschwunden?«
Er zündete sich eine Zigarette
an, wobei seine Finger, die das Streichholz hielten, leicht zitterten. »Ich
sage Ihnen gern alles, was ich weiß, Boyd, aber das ist nicht sehr viel.«
»Also, dann reden Sie«, knurrte
ich.
»Ich weiß nicht recht, wo ich
anfangen soll. Vielleicht am besten mit Irene selbst?«
»Ganz wie Sie wollen.« Ich
zwang mich zu einem zähnefletschenden Lächeln. »Was war denn mit Irene?«
Er nahm einen tiefen Zug aus
der Zigarette. Während er sich zu erinnern versuchte, bekamen seine Augen einen
leicht abwesenden Ausdruck.
»Irene war ein merkwürdiges
Mädchen. Im allgemeinen schien sie ruhig und sanft, aber unter der glatten
Oberfläche schlummerte eine fast beängstigende Wildheit. Sie war eine sehr gute
Schauspielerin, ein Naturtalent, und hätte sogar einer der ganz großen Stars
werden können. Die nötige Besessenheit, den eisernen Willen und die Selbstdisziplin,
die völlige Übereinstimmung von Technik und Bühnenerfahrung hatte sie...«
»Ich wollte keine Referenzen
hören, sondern was auf Hurlingfords Party los war«, drängte ich.
»Zuerst müssen Sie Irene
verstehen«, widersprach mir Williams mit erstaunlicher Festigkeit. »Sie war der
Katalysator, der Auslöser für das, was in jener Nacht geschah.«
»Okay.« Ich gab nach. »Es ist
Ihre Geschichte. Erzählen Sie auf Ihre Weise.«
»Sie müssen sich die Situation
so vergegenwärtigen, wie sie damals war«, erklärte er ruhig. »Irene war nicht
schön, eine sanfte, unauffällige Blondine, aber attraktiv; und eine gute
Schauspielerin, im Begriff, Karriere zu machen, mit einer dankbaren Rolle in
einem Broadway-Erfolg. The Dream Is Deadly —
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