Unsanft entschlafen
sagte ich. »Dann muß
ich mich eben an jemand wenden, der auf der Party war. Nennen Sie mir einen
Namen.«
»Habe ich noch nicht genug
gesagt?« erkundigte er sich vorsichtig.
»Die bisher Genannten würden
mir nicht das gleiche Vertrauen entgegenbringen wie Sie, Barney«, erklärte ich
ihm freundschaftlich. »Versuchen Sie es doch noch einmal mit jemand anderem.«
Er überlegte einige Sekunden.
»Diesem Halunken würde ich es gönnen. Wenden Sie sich an Jerome Williams, der
war auf jeden Fall dabei. Aber tun Sie mir den Gefallen und erwähnen Sie mich
nicht.«
»Das läßt sich machen«,
beruhigte ich ihn.
Ich war schon fast an der Tür,
als er hinter mir herrief: »Hallo, einen Augenblick.«
»Was ist?« Ich drehte mich um
und sah die Angst auf seinem Gesicht.
»Wenn er nun aber zurückkommt?«
»Wer?«
»Der Tod auf Latschen.«
»Meinen Sie Mannie Karsh?«
»Wen sonst?« Er klatschte beide
Handflächen gegen seine Wangen. »Was mache ich, wenn er wiederkommt?«
»Beten Sie«, riet ich ihm, da
mir nichts Besseres einfiel.
Es war bereits Mittag, als ich
Meekers Büro verließ, und ich verspürte Hunger. In den letzten vierundzwanzig
Stunden hatte sich mehr ereignet als normalerweise innerhalb von zwei Wochen.
Ich mußte dringend etwas essen, um mich bei Kräften zu halten. Daher ging ich
zu Trader Vic’s , wo die Küche ganz
ausgezeichnet ist und die Speisekarte sich wie ein Märchen aus Tausendundeiner
Nacht liest.
Gegen drei Uhr nachmittags war
ich zum zweitenmal im Theater. Derselbe Portier ließ
sich fünf Dollar in die Hand drücken, bevor er mir den Weg freigab, dieselben
Schauspieler agierten, Textbücher in der Hand, auf der Bühne, und in der ersten
Reihe saß derselbe junge Mann mit der mächtigen Hornbrille. Er wirkte noch
genauso hungrig wie am Tag zuvor.
Ich schob mich auf den Sitz
neben ihm und stieß ihn sanft in die Rippen. Sofern seine Gebeine überhaupt in
Fleisch gebettet waren, fühlte ich jedenfalls nichts davon.
»Still«, zischte er ganz
automatisch.
»Jetzt fangen Sie doch nicht
wieder das gleiche Spielchen an«, stöhnte ich. »Es war schon gestern nicht
besonders komisch.«
»Mr. Boyd.« Ian Vertaine
blickte mir hoffnungsvoll entgegen. »Wie kommen Sie voran?«
»Hier und da gibt es kleine
Fortschritte«, erwiderte ich unbestimmt. »Wußten Sie eigentlich, daß Sie über
hellseherische Gaben verfügen?«
»Wie?« Er starrte mich verwirrt
an.
»Gestern machten Sie doch eine
Bemerkung, daß es Williams vielleicht aus irgendwelchen Gründen lieber wäre,
wenn Irene Mandell nicht gefunden würde. Erinnern Sie sich?«
»Ja, natürlich, aber...«
Aufsteigende Erregung machte seine Stimme heiser. »Meinen Sie etwa, Sie hätten
etwas rausgekriegt...«
»Ich bin noch nicht sicher,
aber ich glaube schon«, erwiderte ich. »Ich möchte mit ihm sprechen, und zwar
sofort. Aber lieber unter vier Augen. Hat er hier ein Büro?«
»Mr. Jerome Williams, der große
Regisseur, hat alles, einschließlich eines Büros«, sagte er bitter.
»Glauben Sie, Sie könnten ihn
dazu bewegen, in sein Büro zu kommen und mit mir zu sprechen? Ich habe keine
Zeit, hier rumzusitzen und zu warten, bis er fertig ist.«
»Ich weiß nicht.« Ian Vertaines Stimme bebte leicht. »Er ist so unberechenbar...«
Der leidenschaftliche Dialog
auf der Bühne endete genauso abrupt wie am Tag zuvor. Ich blickte hoch und sah,
daß Williams zu mir herunterstarrte.
»O nein!« Er schloß die Augen
und schüttelte sich dramatisch. »Doch nicht schon wieder! Wer bezahlt Sie
dafür, daß Sie mich verfolgen?«
»Ich möchte eine kleine private
Unterhaltung, die keinen Aufschub duldet«, sagte ich kurz.
»Diesmal werde ich Sie
unweigerlich rauswerfen lassen«, sagte er verächtlich. »Und falls Sie Ihren Fuß
noch einmal in dieses Theater setzen, werde ich...«
»Ich habe gestern Irene Mandells Garderobiere gefunden«, unterbrach ich ihn, »und gestern abend ist sie ermordet worden. Sie wollen nicht mit
mir reden, Williams, bitte sehr. Ich kann auch die Polizei rufen, wenn Ihnen
das lieber ist.«
Er überlegte geraume Zeit und
zuckte dann ungeduldig die Schultern. »Na schön, ich gebe Ihnen fünf Minuten.
Wir haben schon genug Unterbrechungen gehabt, auch ohne daß plattfüßige
Polizisten hier rumtrampeln. Obwohl ich nichts weiß, was Ihnen helfen könnte.«
Ich beobachtete ihn, wie er von
der Bühne herunterkam, an mir vorbeirauschte, als sei ich Luft, und durch eine
Seitentür verschwand.
Jetzt kam mein
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