Unsanft entschlafen
mehr. Wahrscheinlich
wird Jean bald das Handtuch werfen, damit ich ihn nicht restlos fertigmache.«
Ich erhob mich, um zu gehen,
und Williams kam eilig um den Schreibtisch herum auf mich zu.
»Ich habe Ihnen alles gesagt,
was ich weiß«, erklärte er eifrig. »Nun hoffe ich, daß Sie mich aus der Sache
heraushalten, Boyd. Sie wissen doch, Diskretion Ehrensache, nicht?« Er streckte
mir seine schwabbelige Hand entgegen. »Darauf müssen wir uns die Hand geben.
Von Mann zu Mann.«
Er beging den großen Fehler,
mir sein distinguiertes Gesicht zu nahe zu bringen. Es vervollständigte das
abstoßende Bild eines Mannes, der hinter der Bartheke hockte und ein Gespräch über die Beseitigung einer Leiche mitanhörte, eines Mannes,
der auch noch schwieg, nachdem ihm Lowell von den Lügen erzählt hatte, die ihm
über Evas Verschwinden aufgetischt worden waren. Das Tüpfelchen auf dem I war
schließlich seine Schilderung, wie er Jean Vertaine zu erobern versuchte, indem
er ihrem Bruder das Leben zur Hölle machte.
Ich stieß die rechte Faust in
seinen weichen Magen, wo sich der größte Teil seines Übergewichts
konzentrierte, und er klappte zusammen wie ein Taschenmesser. Als ich die Faust
zurückzog, blieb er, vor Schmerzen wimmernd, zusammengekrümmt stehen, und
Tränen liefen ihm über die Wangen.
»Wofür?« gurgelte er.
»Für die Zumutung, daß ich
einem rückgratlosen Jämmerling wie Ihnen die Hand schütteln sollte, Williams«,
erklärte ich ihm. »Und lassen Sie den jungen Vertaine in Ruhe, sonst komme ich
noch einmal zurück und zeige Ihnen, was eine Harke ist.«
Ich verließ das Büro und
marschierte über den Flur zum Bühnenraum zurück. Jean und Ian Vertaine
erwarteten mich hinter der Ausgangstür.
»Nun?« fragte Ian eifrig, wobei
seine Augen hinter der dicken Hornbrille funkelten. »Hatte er seine Gründe?«
»O ja«, erwiderte ich. »An
Ihrer Stelle würde ich jetzt erst mal eine ausgiebige Kaffeepause einlegen.
Wenn mich nicht alles täuscht, dürfte Williams auf absehbare Zeit nicht in
Stimmung sein.«
»Danny.« Jean legte mir die
Hand auf den Arm und drückte ihn leicht. »Da wir gerade von Stimmungen sprechen
— ich werde mich bestimmt nicht mehr so dumm benehmen wie gestern
abend .«
»Ich werde es mir notieren,
Schätzchen«, grinste ich.
»Ich habe gehofft, daß er nicht
redet«, sagte Ian sehnsüchtig. »Dann hätten Sie ihn wenigstens ein bißchen in
die Mangel genommen.«
»Alle guten Dinge sind eben nie
beieinander, Junge«, erwiderte ich bedauernd. »Aber wenigstens hat Williams
augenblicklich anständige Magenschmerzen.«
9
Viertel vor fünf stand ich der
arroganten blonden Empfangsdame des Hurlingford -Verlages
gegenüber. Sie war schon bei unserer ersten Begegnung nicht sonderlich
beeindruckt gewesen, und daran hatte sich nichts geändert.
»Niemand kann ohne vorherige Anmeldung
zu Mr. Hurlingford«, sagte sie steif. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich
Entsetzen. »Ich fürchte, Sie vergeuden Ihre Zeit.«
»Nicht ganz«, widersprach ich
ihr. »Ich sehe Sie doch schließlich an, nicht wahr?«
»Auch der Versuch, eine
persönliche Beziehung herzustellen, wäre nur Zeitvergeudung, Mr. Boyd«,
erwiderte sie kühl. »Ich bin außerordentlich beschäftigt.«
»Sie haben sich diesmal
überhaupt nicht erkundigt, wen ich vertrete«, sagte ich anklagend. »Mr.
Hurlingford würde das sehr interessieren.«
»Das bezweifle ich«, fauchte
sie. »Wenn ich Sie danach frage, versprechen Sie mir dann, zu verschwinden?«
»Selbstverständlich«, stimmte
ich ihr zu.
Ein unterkühltes Lächeln zog
ihre Lippen etwa einen viertel Zentimeter auseinander. »Dürfte ich wissen, wen
Sie vertreten, Mr. Boyd?«
»Mit Vergnügen«, lächelte ich
zurück. »Miss Soong.«
Sie starrte mich, zum erstenmal
mit echtem Interesse, einige Sekunden an und griff dann zum Telefonhörer.
Zwei Minuten später betrat ich
das Büro im fünfzehnten Stock, das Marie Soong gehört hatte und jetzt von einer
intelligent aussehenden, etwa fünfundzwanzig] ährigen Blondine besetzt war, die im Typ an Marilyn Monroe erinnerte.
»Mr. Boyd?« Sie versuchte ein
Lächeln. »Mr. Hurlingford erwartet Sie. Bitte, gehen Sie gleich durch.«
»Danke«, erwiderte ich. »Es muß
für Mr. Hurlingford und Sie hier oben richtig gemütlich sein. Wenn gerade
nichts zu tun ist, können Sie immer zusammen an einem Buch arbeiten oder so.«
»Was sind Sie doch für ein
schlaues Köpfchen. Er verbringt jede freie Minute
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