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Unsanft entschlafen

Unsanft entschlafen

Titel: Unsanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Im Schein der Taschenlampe studierte er mit
ungeheurer Konzentration einen kleinen Pfadfinder- Kompaß ,
wandte sich schließlich gen Süden, zählte laut zwanzig Schritte ab, machte eine
Drehung nach Osten, zählte fünfzehn weitere Schritte und blieb stehen.
    »Mann«, sagte ich bewundernd.
»Sie sind ja eine Wolke. Mit Lageplan und allem Drum und Dran?«
    »Halten Sie den Mund«, brummte
er.
    Der Strahl der Taschenlampe
bewegte sich in immer kleineren Kreisen und blieb dann auf einem etwa
zweieinhalb Meter von uns entfernten dicken Baum haften. Mannie ging zu ihm
hinüber und untersuchte den Stamm mit äußerster Genauigkeit.
    Dann ließ er sich plötzlich auf
die Knie nieder und grunzte zufrieden. »Das ist er. Sehen Sie, Freundchen?«
    Ich blickte über seine Schulter
und sah das grob in die Rinde geschnitzte Kreuz.
    »Wie bei richtigen Piraten«,
sagte ich anerkennend. »Soll ich, bevor ich zu graben beginne, erst die Flagge
hissen?«
    »Auch nach zwei Jahren«, sagte
er tonlos, »finde ich ohne größere Schwierigkeiten noch die richtige Stelle
wieder. Es hat nicht länger als fünf Minuten gedauert, seit wir aus dem Wagen
gestiegen sind. Finden Sie das etwa komisch?«
    »Vielleicht nicht«, erwiderte
ich. »Aber warum haben Sie sich solche Umstände gemacht?«
    »Er wollte, daß wir die Leiche
beiseite schaffen«, flüsterte Mannie geduldig. »Lou hielt das für eine
ausgezeichnete Gelegenheit, Hurlingford Monat für Monat, Jahr für Jahr die
Daumenschrauben anzulegen. Überlegen Sie doch mal: Wenn wir die Tote hier im
Meer versenkt oder sonst irgendwo verbuddelt hätten, wäre es doch nicht mehr
möglich gewesen zu beweisen, daß überhaupt eine Leiche vorhanden war und daß
Hurlingford die Dame auf dem Gewissen hatte.«
    »Allmählich geht mir ein Licht
auf«, sagte ich. »Sie haben die Leiche auf seinem Grund und Boden vergraben,
aber so, daß er sie nicht finden konnte. Falls er also seinen Zahlungen nicht
nachgekommen wäre, hätten Sie ihm gedroht, der Polizei durch einen anonymen
Anruf den genauen Fundort der Leiche zu verraten?«
    »Jetzt benützen Sie endlich Ihr
Köpfchen.« Ein gequältes pfeifendes Geräusch entrang sich seiner Brust, und ich
wußte, daß er wieder lachte. »Das war aber nur die erste Überraschung, die wir
für ihn auf Lager hatten. Von der zweiten hat er bis heute noch nicht die
geringste Ahnung.«
    »Und die wäre?«
    »Vielleicht sage ich Ihnen das
später«, knurrte er. »Fangen Sie zu graben an. Sie liegt etwa einen Meter
zwanzig tief und ist in eine Plane eingewickelt.«
    Als ich den Spaten in die Erde
stieß, merkte ich, daß der Boden sehr viel lockerer war, als ich befürchtet
hatte. Wenigstens ein Trost. Nach den ersten zwanzig Spatenstichen hielt ich
einen Augenblick inne, um etwas auszusprechen, was mich mit jeder Schaufel Erde
stärker beschäftigte.
    »Der Mord ist vor zwei Jahren
geschehen, Mannie«, begann ich langsam. »Nach menschlichem Ermessen ist nur
noch ein Skelett vorhanden. Welchen Beweis gibt es, daß es Eva Mandell gehört
und daß sie von Hurlingford umgebracht worden ist?«
    »Sie kann durch ihr Gebiß
identifiziert werden«, erwiderte er unbeteiligt. »Das sollte Ihnen bei Ihrem
Beruf eigentlich bekannt sein.«
    »Wenn ich nichtsdestotrotz
meinen Gedanken freien Lauf lassen dürfte«, entschuldigte ich mich. »Setzen wir
also Evas Identität als bewiesen voraus; woher will man aber wissen, daß sie
von Hurlingford ermordet wurde?«
    Das gequälte Pfeifen erklang
dicht vor mir in der Dunkelheit.
    »Das ist die zweite
Überraschung, von der ich vorhin gesprochen habe.« Mannie kicherte leise.
»Wissen Sie, als wir damals hier ankamen, merkten wir, daß sie noch gar nicht
tot war.«
    »Was?«
    »Sie muß in so einer Art Koma
gewesen sein«, fuhr er unbeteiligt fort. »Drinnen im Haus hatte sie auch ganz
tot ausgesehen, abgesehen davon, daß sie ziemlich zusammengeschlagen war.
Vielleicht hätte sie sich sowieso nicht mehr erholt.«
    »Aber sie hat noch gelebt...«
    »Es bestand immerhin der
Vertrag«, flüsterte er. »Einer der besten, die Lou je abgeschlossen hatte. Und
diese dumme Person war drauf und dran, alles zu verpatzen, bloß weil sie nicht
wußte, daß sie totzubleiben hatte.«
    Ich fühlte, wie sich meine
Magenwände zusammenkrampften. »Also haben Sie Eva umgebracht?« krächzte ich.
    »Ganz schön und sauber. Sie hat
nichts gespürt«, bestätigte er leidenschaftslos. »Sie war noch immer nicht bei
Bewußtsein, verstehen Sie? Ich hab’ ihr

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