Unschuldig
ständig Leute, die meinten, die ultimative Superidee für ein Drehbuch zu haben. Andererseits war er neugierig – man konnte ja nie wissen, ob nicht vielleicht doch etwas dran war und er womöglich einen großen Coup landen konnte.
Nach einer kleinen Pause fragte Möller: »Sehen wir uns nicht sowieso heute beim Begräbnis von Lea?«
»Ja, ich hab mir auch schon überlegt hinzugehen. Aber ich hab im Moment kein Auto, und bis zum Friedhof ist es mir ein bisschen zu weit.«
»Hör zu, ich hab da eine Idee. Ich muss auf jeden Fall zum Begräbnis, und wenn du willst, nehme ich dich mit. Du müsstest nur zum Ku’damm kommen. Dann kannst du mir auf der Fahrt alles erzählen.«
Er triumphierte innerlich. Das war ja einfacher, als er zu hoffen gewagt hatte. »Die Einladung nehme ich gern an! Das ist total nett von dir! Treffen wir uns im Starbucks, Ecke Ku’damm und Fasanenstraße? Hast du schon gefrühstückt? Ich lad dich ein.«
»Ja, das ist gut. Wann kannst du da sein?«
»Um elf?«
»In Ordnung, dann fahren wir anschließend zu Leas Beerdigung. « Möller legte grußlos auf.
Dies war eine Fügung! Gott hatte ihn erhört und war auf seiner Seite.
Endlich konnte er das alles abschließen. Nur Tim Möller war noch auf seiner Liste. Danach würde er mit dem Jungen irgendwo hingehen, wo sie niemand störte und sie einen normalen Alltag in Ruhe und Frieden leben konnten.
Er traf vor dem Regisseur im Café ein, aber das machte nichts. Im Gegenteil, so konnte er die Situation gut überblicken und sich den Platz aussuchen, der ihm am meisten Sicherheit bot. Auch wollte er sich den Ablauf noch einmal genau vorstellen. Was könnte er tun, wenn Möller den präparierten Kaffee ablehnte? Es würde ihm nicht gelingen, ihn gewaltsam ins Auto zu bugsieren. Sollte er die Sache dann verschieben?
Ja, es wäre in dem Fall definitiv besser, auf eine neue Gelegenheit zu warten. Hatte er sich nicht immer daran gehalten, zu verschieben, wenn irgendetwas anders lief, als es sein Plan vorsah? Genüsslich schlürfte er seine heiße Schokolade mit Sahne. Süßer sahniger Kakao brachte ihn immer zum Träumen. Das ging ihm schon als kleiner Junge so, als er noch im Sand spielte, Burgen und Türme baute, die er dann Stück um Stück wieder einriss oder unter Wasser setzte. Wenn seine Mutter ihn mit schmutziger Hose und Blättern in den Haaren vor der Tür stehen sah, lachte sie und schickte ihn ins Bad, um sich dort auszuziehen. Dann nahm sie den Duschkopf und spritzte ihn ab. Vorher durfte er nicht in die Küche, wo heißer Kakao mit Sahne und Schokokekse auf ihn warteten. Er liebte das Herumtollen in der Natur und war kein Junge, der halbe Sachen machte. Daran hatte sich bis heute nichts geändert.
Durch die bis fast zum Boden reichende Glasscheibe behielt er die Fasanenstraße und den Ku’damm im Auge. Daher entging ihm Möllers alter lila Mercedes nicht, und er bemerkte, dass der Regisseur sich bereits eine Viertelstunde verspätet hatte. Er lächelte, ging an die Theke und holte Croissants sowie einen großen Becher schwarzen Kaffee. Zurück am Tisch blickte er sich kurz um und präparierte das Getränk mit den Betäubungstropfen. Niemand in dem Café nahm von ihm Notiz, um diese Uhrzeit war noch wenig los. Wahrscheinlich kamen die Angestellten aus den Bürogebäuden erst in der Mittagspause.
Der lila Mercedes fuhr langsam den Ku’damm hinauf und bog dann wieder rechts ab. Er schätzte, dass Möller einmal um den Block fahren und in der Fasanenstraße wieder auftauchen würde, wenn er keinen Parkplatz gefunden hätte.
Auf dem Ku’damm gab es einen Stau, und er wusste nicht, was da los war. Aber als die Wagen jetzt weiterfuhren, sah er, dass der Mercedes auf dem Mittelstreifen parkte. Gleich darauf kam der Regisseur eiligen Schrittes und entdeckte ihn sofort. »Hallo, schön, dich zu sehen!«
Wenn er tatsächlich mit dem großen Blassen gerechnet hat, lässt er sich seine Überraschung jedenfalls nicht anmerken, dachte er. Wahrscheinlich kennt er viel zu viele Leute nur flüchtig und oberflächlich.
Sie schüttelten einander die Hände.
»Das ist ein prima Platz hier«, lobte Möller und sah sich um. Drei Leute standen an der Bar und warteten auf ihre Getränke. Leise Chill-out-Musik lief im Hintergrund.
Es war wohl das Beste, den Regisseur erst einmal zu Wort kommen zu lassen und dadurch Kontakt zu ihm aufzubauen, bevor er auf sein Thema zu sprechen kam. Wenn es denn überhaupt notwendig war.
Möller nahm ihm gegenüber
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