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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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und damit kurz vor seinem Ziel angekommen war. »Super Lage. Wie es eingebettet ist im Schilf und so. Und da ist noch nie gedreht worden. Sehr idyllisch.«
    Möller schien das noch mitbekommen zu haben, denn er fragte: »Wie groß ist es denn?«
    »Es hat Platz für zwei Boote, aber im Moment ist da nur mein kleines Ruderboot drin.«
    »Hey, ich hab ’ne Jolle, da könntest du mir ja den zweiten Platz überlassen. Ich suche nämlich gerade einen neuen Liegeplatz.«
    »Von mir aus okay. Aber sieh es dir erst mal an.«
    Ein paar einzelne Regentropfen verirrten sich auf die Windschutzscheibe. Als er die letzten Meter zum Bootshaus hinunterfuhr, registrierte er, dass es Möller erstaunlicherweise wieder besser ging, obwohl sein Gesicht noch sehr bleich war. Er hielt an, und der Regisseur verließ mit scheinbar neu erwachten Lebensgeistern schwungvoll den Wagen.
    Der Mann hatte wirklich eine mörderisch gute Kondition, das musste man ihm lassen. »Mensch, Alter, das ist ja ein super Platz hier! Tolle Location!«, rief er begeistert.
    Er holte den Schlüssel für das Vorhängeschloss aus der Tasche, öffnete es und hielt Möller die Tür zum Bootsschuppen auf.
    »Das ist fantastisch! Gehört dir das?«, rief er.
    »Ja, das hab ich von meinen Großeltern geerbt«, log er.
    »Hier würde meine Jolle genau reinpassen. Kannst du segeln?«
    »Nein.«
    »Ich könnte es dir beibringen.«
    »Prima Idee.«
    »Ich beteilige mich natürlich an den Unterhaltskosten, wenn mein Boot hier liegt. Wie viel sind denn das im Jahr?«
    »Hundertvierzig Euro.«
    »Die übernehme ich ganz, wenn du einverstanden bist.« Erschöpft setzte Möller sich auf den Rand des alten Ruderboots.
    »Okay.« Er lächelte. »Was ist los mit dir?«
    »Mir ist schon wieder so schlecht. Keine Ahnung, wie das kommt. Hab wohl zu viel gearbeitet in letzter Zeit. Hast du vielleicht eine Flasche Wasser da?«
    »Eistee hab ich noch im Rucksack. Der liegt noch im Wagen. Ich hole ihn dir eben.«
    Als er wieder hereinkam, saß Möller immer noch auf dem gleichen Platz, atmete schwer und blickte mit glasigen Augen auf den See. Die Sonne spiegelte sich als fahle Scheibe auf dem Wasser.
    Er zog den Holzblock heran, setzte sich darauf und hielt Möller die mit weiteren Tropfen präparierte Packung Eistee hin. »Hier, nimm ein paar Schlucke, ist zwar nicht gekühlt, aber mit dem Zucker geht’s deinem Kreislauf gleich besser.«
    »Super, danke!« Möller nahm den Eistee dankbar entgegen. »Auf eine gute Kooperation! Drehbuch und Segeln.« Er trank, verschluckte sich und trank erneut. Hilfsbereit klopfte er ihm auf den Rücken und ermunterte ihn, noch mehr zu trinken. Möller setzte an, kippte aber im nächsten Moment halb bewusstlos nach hinten in das Boot.
    Er befühlte Möllers Stirn und testete seinen Puls. Dann durchsuchte er seine Taschen und steckte alles ein. Das Handy schaltete er aus und warf es in weitem Bogen in den See.
    Aus dem Schrank holte er mehrere große Rollen Klebeband und fing bei Möllers Füßen an. Stück für Stück umwickelte er seinen Körper bis hoch zu den Schultern. Den Hals ließ er frei, umwickelte dann aber den Kopf so, dass Möller durch die Nase noch Luft bekam und alles hören konnte, aber nicht imstande war, zu sprechen oder etwas zu sehen.
    »Als Regisseur soll man sich in die Figuren hineindenken können. Bevor ich segeln lerne, lernst du dies: Wie hat Fabian sich damals gefühlt?«, erklärte er freundlich. »Aber jetzt ist es noch zu früh. Du brauchtest für die Aufnahme mit dem brennenden Boot die Abenddämmerung. Das soll jetzt auch so sein. Daher müssen wir uns noch ein wenig gedulden. Ich bin zur blauen Stunde mit dem richtigen Licht wieder zurück.«
    Tim Möller röchelte, doch es war kaum zu hören.
    »Leben für Leben, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß.« Dann holte er aus der Ecke mit den Werkzeugen ein schweres Bleirohr und schlug es Möller über den Kopf. Er verließ den Bootsschuppen, hängte das Schloss davor, schloss ab, stieg in den Wagen und fuhr langsam rückwärts bis zum Nikolskoer Weg, der von der Moorlake abzweigte. Die Zeit war verdammt knapp. Hoffentlich würde er es trotzdem noch schaffen, den Mercedes irgendwo in der Nähe vom Ku’damm abzustellen, zu duschen und sich für die Beerdigung umzuziehen.
     

51
    P aula parkte den Wagen auf der Chausseestraße und nahm ihren schwarzen Mantel und den Schirm aus dem Kofferraum. Es sah nach Regen aus. Sie wollte an der Beerdigung von

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