Unschuldig
mehr ins Büro kommen.«
»Gut, dann fahren wir gemeinsam zu ihm nach Hause und überbringen ihm die Hiobsbotschaft persönlich.«
»Und ich setze meine Befragungen im Produktionsbüro fort?«, wollte Tommi wissen.
»Ja. Und kann Herbert sich bitte um die Verbindungsdaten von Frau Buckows Handy kümmern?«
»Ist schon in Arbeit.«
In der Eisenzahnstraße standen noch zwei Lkw mit Beleuchtungsmaterial und Tontechnik sowie diverse Autos vom Filmteam. Eine riesige Kamera samt Unterbau war bereits ausgeladen und auf Schienen gestellt worden, und die Techniker eilten geschäftig über den Bürgersteig zum Drehort und wieder zurück. Es war zwar kein offizieller Drehtag mehr, aber die Teamleute sollten sich für Befragungen zur Verfügung halten. Niemand wollte an diesem Tag nach Hause gehen.
Draußen vor dem Catering-Wagen standen mehrere Leute vom Filmteam und aßen Brötchen von dem provisorischen Büfett. Sie hielten Pappbecher mit Getränken in den Händen. Hinter dem Wagen waren zwei Tische mit Bänken aufgebaut, an denen ebenfalls Teamleute saßen. Das Wetter hielt sich gut. Es war sonnig, und ein leichter, warmer Wind wehte aus Osten.
»Ihr Wohnwagen steht da drüben!«, rief die Aufnahmeleiterin in Paulas Richtung und eilte in die Restaurantküche. »Schauen Sie sich gleich mal an, ob es so recht ist.«
Paula stieg die wenigen Stufen zum Wohnwagen hinauf und öffnete die klemmende Tür mit einem kräftigen Ruck. Muffige Luft schlug ihr aus dem hässlich in dunklen Farben möblierten Raum entgegen. Die Heizung lief auf vollen Touren. Auf der Eckbank lagen Kleidungsstücke verstreut. Paula schob Röcke, Blusen und Hosen beiseite und drehte die Heizung herunter. Dann setzte sie sich an den eingebauten Tisch und zog ihren Notizblock hervor.
Ein schlanker, relativ kleiner Mann mit einem kurzen dunkelbraunen Bürstenhaarschnitt kam lächelnd durch die Tür. Er trug knallenge Jeans, ein dunkelrotes Shirt und einen beigen Kaschmirschal.
Die Assistentin von Verena Köster, deren Namen Paula noch nicht kannte, eine junge Frau mit pechschwarz gefärbtem Haar, streckte hinter ihm den Kopf herein. »Das ist Felix Kleist, unser Hauptdarsteller. Aber den kennen Sie ja sicher.«
Paula schaute den Mann an. Sie kannte ihn nicht.
»Wenn Sie etwas brauchen – ich warte vor der Tür.«
Zu dem Schauspieler gewandt, der ihr gegenüber Platz genommen hatte, sagte sie: »Ziemlich warm hier drin, was?«
Der zuckte die Achseln. »Die überheizen die Wohnwagen immer«, sagte er entschuldigend und legte seine auffallend schönen Hände mit den manikürten Fingernägeln vor ihr auf den Tisch. »Angst, dass wir uns erkälten. Wegen der Stimme und so. Und eine Klimaanlage gibt es nicht, tut mir leid.« Ernst sah er Paula an. »Schreckliche Geschichte. Die arme Lea. Weiß man schon Genaueres?«
»Wir ermitteln in alle Richtungen«, sagte Paula knapp. »Kannten Sie Lea Buckow gut?«
»Gut? Was heißt gut? Sehr oft habe ich nicht für sie gedreht. Für meinen Geschmack allerdings oft genug.«
»Was heißt das?«
»Das heißt, obwohl ich ihr dieses furchtbare Ende natürlich niemals gewünscht hätte, gehörte sie nicht gerade zu meinen liebsten Auftraggeberinnen.«
»Und warum nicht?«
»Weil sie eine Pfennigfuchserin war. Bei allem Respekt für die Tote.«
»Wann haben Sie zuletzt mit ihr gesprochen?«
»Gestern. Sie kam gegen Drehschluss noch zum Set.«
»Worüber haben Sie sich denn unterhalten?«
»Belangloses Zeug. Nur Small Talk. Sie wollte wissen, wie es mir geht, ob es irgendwelche Probleme gibt und so.«
»Und gab es die?«
»Nein. Natürlich nicht.«
Paula hatte das Gefühl, dass Kleist ihr etwas vorspielte. »Was war Lea Buckow für eine Frau?«
Unvermittelt beugte er sich zu Paula. »Lea war eine kontrollversessene Erbsenzählerin. Und gleichzeitig eine Luxusschnepfe. Nur das Teuerste war für sie fein genug.«
»Können Sie das an einem Beispiel erläutern?«, fragte Paula. Sie war ziemlich schockiert von Kleists unverblümt geäußerter Abneigung.
Jäh lehnte er sich wieder zurück. »Na klar kann ich das. Im letzten Jahr hat sie eine Liebesschmonzette in Indien gedreht. Kaum in Mumbai angekommen, stellte sich heraus, dass sich das vorgesehene Hotel noch im Rohbau befand. Die Crew und ich beschlossen, in Einheimischen-Hütten zu wohnen. Alles authentisch und so. Lea zog schnurstracks in das teuerste Hotel der Stadt und kam nur zu uns raus, um den Herstellungsleiter zur Sau zu machen, die Ausgaben des
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