Unschuldig
wandte sich ab.
»Wird schon schiefgehen, Hals- und Beinbruch, oder was kann ich Ihnen wünschen?«, rief er ihr hinterher.
»Das hilft alles sicher«, meinte sie und ging zu dem Catering-Wagen, um sich eine Flasche Wasser zu holen.
Der Caterer reichte sie ihr, bestand aber freundlich lächelnd darauf, dass sie anstelle des Pappbechers ein Glas nahm. »Bei Ihnen kann ich ja sicher sein, dass Sie es mir wiederbringen«, sagte er, als er es ihr reichte.
Paula dankte ihm. Als sie zum Wohnwagen zurückkam, war der Mann von ihrer Treppe verschwunden.
»Den schrägen Vogel hab ich vertrieben«, sagte Tommi hinter ihr. »Das war Mike Grobeck, einer von den Nebenrollen. Ich habe ihn bereits befragt. Er weiß so gut wie nichts. Soll ich dir schon mal die Woerner holen? Die scheint es mit der Pünktlichkeit nicht so zu haben.«
»Ja, bitte.« Paula nickte und setzte sich wieder auf ihren Platz in dem Wohnwagen. Sie ließ die Tür offen, weil es so heiß war, und sah, wie Tommi in Richtung des Restauranteingangs verschwand.
Die Schauspielerin Nadine Woerner hatte Paula zusammen mit Chris vor noch nicht allzu langer Zeit in einer romantischen Komödie im Kino gesehen. Sie erkannte ihr Gesicht sofort wieder, wenn sie es auch vorher nicht mit dem Namen in Verbindung gebracht hatte. Zwar war ihr die Woerner schon ein bisschen zu alt für die Rolle erschienen, aber die Geschichte einer Anwaltsgattin, die sich in die Geliebte ihres Mannes verguckte und ihm so seine Affäre gründlich vermasselte, hatte ihr gut gefallen.
Mit einigen ausgedruckten Drehbuchseiten in der Hand setzte sich die attraktive Rothaarige auf die Eckbank. Sie war auffallend stark geschminkt um die wässrig blauen Augen. Über ihrer Kleidung trug sie einen schwarzen Morgenmantel.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie freundlich. Sie schien gefasst, aber Paula spürte deutlich die Nervosität der Schauspielerin unter der betont ruhigen Stimme.
»Es tut mir leid, dass wir Sie bei der Arbeit stören müssen«, erklärte sie und bemerkte im selben Moment, dass sie Felix Kleist nicht so herzlich empfangen hatte.
»Ach was, kein Problem. Tim macht ja nur ein paar close ups von mir. Ich sage immer, ich werde fürs Warten bezahlt. Schauspielern tu ich umsonst. Auf diese Weise wird das Herumsitzen wenigstens interessanter.« Lächelnd schob sie eine Strähne ihres rot gefärbten Haars beiseite. Offenbar war sie gerade in der Maske gewesen, denn ihre Haut war mit einer dicken Schicht Make-up bedeckt. Paula konnte sich Großaufnahmen mit so viel Creme und Puder im Gesicht nicht gut vorstellen, aber vielleicht sahen die Zuschauer durch die Kamera nur das makellose Gesicht einer Endzwanzigerin.
»Wie alt sind Sie?« Paula war selbst überrascht von ihrer direkten Frage.
Nadine Woerner lachte. »Haben Sie mich deswegen holen lassen? «
Paula stimmte in das Lachen ein. »Nein, natürlich nicht, sorry. Was ist das für ein Film, in dem Sie hier spielen?«
»Leichtes Format, ein Melodram«, sagte die Schauspielerin. »Bei Bodensatz würde ich nicht mitspielen.«
»Was meinen Sie mit ›Bodensatz‹?«
»Grob gesehen kann man – von Pornofilmen abgesehen – von drei Qualitätsniveaus in der Fernsehunterhaltung sprechen. Die meisten Produktionsfirmen spezialisieren sich irgendwo. Unten gibt’s den Bodensatz, das sind die Sendungen wie Ich gestehe, ich habe meinen Hund vergewaltigt und Ähnliches. In der Mitte befinden sich die Serien und Quizsendungen, Talk Shows und Diskussionen aller Art. Ganz oben in der Bedeutungsskala thront der Fernsehfilm, der hieß früher Fernsehspiel, heute heißt das zum Beispiel TV movie oder TV-Event oder Fernsehfilm der Woche .«
»Und das ist Lea Buckows Reich?«
»Ja. Sie macht anspruchsvolle Unterhaltung. Hat auch schon ein paar Preise mit ihren Produktionen gewonnen. Sogar internationale. Der Erfolg gibt ihr recht.«
»Welche Rolle spielen Sie in dem Melodram?«
»Die Hauptrolle«, antwortete die Darstellerin knapp. »Also, die weibliche. Felix spielt den männlichen Part.«
»Wie viele Drehtage haben Sie?«
»Siebzehn.«
»Arbeiten Sie zum ersten Mal für diese Produktionsfirma?«
»Nein, das ist das dritte Mal. Und zum zweiten Mal mit dem Regisseur Möller.«
»Seit wann kennen Sie Lea Buckow?«
»Seit etwa fünf Jahren.«
»Und wie gut kannten Sie die Produzentin?«
Nadine Woerners Miene blieb ruhig. »Nicht sehr gut. Ich bin ganz offen zu Ihnen: Sie war keine Frau, die ich mir zur Freundin wünschte. Ihr
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