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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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ging es letztlich doch nur um Geld und Quote. Qualität hin, Qualität her, sie zoffte sich dauernd mit ihren Angestellten, die ihr alle zu verschwenderisch waren. Besonders mit ihrem Mann, ach, eigentlich mit allen von der Produktion. Nur der Möller bekam immer seine Forderungen bei ihr durch. Natürlich erst nach lauten Auseinandersetzungen mit viel Gebrüll. Dafür blies er ihr aber auch gehörig Zucker in den Arsch, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Nein. Was meinen Sie denn?«
    »Na, der machte für sie Männchen, und dafür bekam er Extrawürste gebraten. Jedenfalls, solange er ihr den Hof machte.«
    »Sie meinen, die beiden hatten ein Verhältnis?«
    »Genau das meine ich.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Das sieht doch ein Blinder. Außerdem spüre ich so etwas.« Sie schaute auf die Uhr ihres Handys. »Ich glaube, die warten schon auf mich.«
    »Können Sie sich jemanden aus dem Filmteam vorstellen, der ein Motiv für die Tat hätte?«, fuhr Paula fort, ohne auf die Bemerkung einzugehen.
    Die Schauspielerin lachte auf. »Nein, hier ist jeder nur mit sich selbst beschäftigt.«
    »Hätte Möller zum Beispiel irgendein Motiv haben können, sie umzubringen?«
    »Liebe Güte, nein. Sie beißen doch auch nicht die Hand, die Sie füttert?« Nadine Woerner hob die Hände theatralisch in die Höhe. »So hatte ich das mit dem Möller nicht gemeint. Jeder denkt doch, er ist im Recht, und dann galoppiert die gekränkte Eitelkeit manchmal eben leicht mit ihm los. Verbreitete Filmerkrankheit. Immer wieder haben sie sich angeschrien. Aber Mord? Nein. Das ginge dann doch sicher zu weit.«
    »Immerhin ist sie ja nun tot«, sagte Paula trocken.
    Die Woerner hob die Schultern. »Das gibt es doch in jeder Produktion. «
    »Tote?«, fragte Paula.
    »Nein, Animositäten.« Die Schauspielerin schaute nochmals nach der Uhrzeit. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    »Wann haben Sie Frau Buckow zuletzt gesehen?«
    »Gestern Abend, sie kam nach Drehschluss noch zum Set.«
    »Haben Sie sie gesprochen?«
    »Nein.«
    »Wie lange blieb sie dort?«
    »Keine Ahnung, ich bin nach dem Abschminken gleich nach Hause. Da war sie jedenfalls noch hier.«
    »Wann war das?«
    »Gegen sieben, vielleicht so zehn vor.«
    »Und Sie? Haben Sie den Abend zu Hause verbracht?«
    »Nein, Erich und ich waren noch eine gute Stunde im Fitnessstudio. Das ist bei uns gleich um die Ecke, in der Lietzenburger. Zwischen acht und halb zehn haben wir uns dort abgerackert. Anschließend sind wir noch ins Lubitsch auf eine Apfelsaftschorle.«
    »Wer ist Erich?«
    »Mein Freund. Er arbeitet als Redakteur beim Tagesspiegel .«
    »Vielen Dank, Frau Woerner«, sagte Paula. »Das war’s erst mal. Können Sie mir bitte den Regisseur hereinschicken? Mit Felix Kleist habe ich bereits gesprochen.«
    »Sicher. Ich bin übrigens zweiundvierzig, gehe aber gut als Dreißigjährige durch. Und alles noch echt.« Sie legte beide Hände unter ihre Brüste und grinste.
    »Sehr schön«, sagte Paula und behielt ihre Zweifel für sich. »Hier ist meine Karte. Bitte rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt. Jeder Hinweis ist wichtig.«
     
    Die Befragung von Tim Möller, Regisseur und Kameramann in einer Person, hatte sie noch vor sich. Er war ihrer Gesprächseinladung mit der Begründung ausgewichen, er müsse sich erst mal um die nächsten Einstellungen und die Drehplanänderungen kümmern, denn er wolle die Produktion nicht gefährden. »Ein Abbruch des Films wäre ganz sicher nicht in Leas Interesse gewesen. Egal, was ihr zugestoßen ist«, hatte er gesagt.
    Auch die folgenden Darsteller und Teammitglieder konnten nur wenig über die Tote berichten. Besonders beliebt schien die Produzentin in der Tat bei niemandem gewesen zu sein.
    Am Ende des Nachmittages hatte Paula zwar einiges über die bunte Truppe der Filmleute, ihre Eigenarten und übers Filmemachen erfahren, aber sie hatte nicht die leiseste Idee, wer der Täter sein könnte.
     

6
    W enn er etwas auf der Welt wirklich mochte, dann war es sein Job. Seit zwei Jahren arbeitete er für Mamis Catering. Er war der Sauberste, Pünktlichste und Zuverlässigste unter seinen Kollegen. Die blank geputzten Arbeitsflächen, das glänzende Geschirr, die der Größe nach sortierten Teller und Schüsseln, das geordnete Besteck in den Schubladen und die funkelnden Gläser liebte er besonders. Jeden Morgen war er eine Viertelstunde vor Schichtbeginn am Arbeitsplatz, also immer schon um Viertel vor sieben, auch im Winter.

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