Unschuldig
lassen. Der Roomservice wird Ihnen das bestätigen.«
»Könnten Sie uns die Mobilnummer und Adresse von Anna Leifheit geben?«, fragte Tommi.
»Sicher.«
»Dürfen wir uns kurz hier im Haus umsehen?«
»Selbstverständlich.« Sascha Buckow ging mit festem Schritt voraus. Das Gespräch schien ihn ziemlich schnell wieder nüchtern gemacht zu haben.
Die Villa hatte vier Schlafzimmer und zwei Bäder im oberen Stockwerk. Das Ehepaar schlief in getrennten Zimmern. Die Schubladen von Leas Schminktisch am Fenster zum Garten hinaus waren vollgestopft mit Lippenstiften, Peeling-Lotions, Nagellacken und Toilettenartikeln von Hotels und Fluglinien. In der untersten Schublade fand Paula ein Kosmetiktäschchen aus rotem Plastik mit einem pinkfarbenen Vibrator und Handschellen. Sie zog die Augenbrauen hoch. Ein paar Romane und ein schwarzes Notizbuch lagen auf dem Nachttisch.
»Dürfen wir das mitnehmen?«, fragte Paula, als sie beim Durchblättern allerlei private Eintragungen von Lea Buckow darin entdeckte.
»Natürlich.«
Im angrenzenden elegant gefliesten Badezimmer standen eine neue Musikanlage und mehrere Stapel CDs. Überall Schminksachen und Parfümflaschen, mindestens drei Dutzend Flakons. Einige waren halb voll, andere gerade erst geöffnet worden. Es waren sämtliche teuren Marken vorhanden. In der Kleiderkammer hingen viele Tops bekannter Designer, Businesskostüme, Jeans und Pullover von angesagten Labels. Staunend betrachtete Paula die ordentlich aufgereihten Schuhe, es mochten an die fünfzig Paar sein, einige davon offensichtlich noch nicht getragen. Drei Paar Lederstiefel mit hohen Absätzen sahen ebenfalls aus wie neu. Paula drehte einen Stiefel um. Das Preisetikett klebte noch auf der Sohle, 899 Euro. Neben den Schuhen hingen mindestens ein Dutzend Handtaschen – Armani, Versace, Prada und weitere Labels – an bunten Designerhaken an der Wand. In den beleuchteten Schubladen stapelten sich edle Dessous.
»Wann hatten Sie das letzte Mal Streit mit Ihrer Frau?«, fragte Paula, bevor sie und Tommi sich verabschiedeten.
»Wir hatten keinen Streit. Wir hatten eine harmonische Beziehung. « Sascha Buckow war, wie er ihr an der Haustür noch einmal versicherte, seit mehr als sieben Jahren glücklich verheiratet. »Und ich habe nicht einen Tag, nicht einen einzigen Tag davon bereut«, sagte er.
Du Glücklicher, dachte Paula. Du glücklicher Lügner.
8
D as herrlich duftende Jambalaya war erwartungsgemäß bei den Gästen ein voller Erfolg. Jonas hatte absichtlich die Tabascosauce weggelassen, jeder sollte es so scharf würzen, wie er mochte. Nun sonnte er sich wohlig im Lob für seine Kochkünste. Sein Faible für die Küche der Cajun und Kreolen stieß besonders bei Manuel auf Bewunderung. Der Sechsjährige verschlang förmlich gleichzeitig mit jedem Bissen auch Jonas’ Erzählungen über Geschichte und Schicksale der bunt gemischten Gesellschaft mit französischen und schwarzafrikanischen Wurzeln in New Orleans und deren gemeinsame kulinarischen Höhenflüge.
»So, jetzt geht’s aber ins Bett«, versuchte Sandra ihren Sohn schließlich von der Tischgesellschaft loszueisen. Manuel protestierte heftig. Nach einer kleinen Diskussion mit seiner Mutter gab es schließlich einen Kompromiss.
»Ich gehe nur, wenn Paula mir noch vorliest«, sagte er.
Paula gab dem Drängen ihres Neffen nach und las ihm aus dem Buch vor, das er als zerfledderte Ausgabe in seinem kleinen grünen Koffer mitgebracht hatte. An den venezianischen Abenteuern von Prosper, Bo und Scipio, dem Herrn der Diebe, konnte er sich nicht satthören.
Zunächst musste Paula das erste Kapitel zweimal hintereinander vorlesen. Als sie vorschlug, mal etwas anderes zu lesen, protestierte er. »Nein, nein, ich will Scipio in Venedig.«
Nun versuchte sie zu improvisieren und wich ein wenig vom Text ab, doch das merkte der kleine Kerl sofort. »Das steht doch gar nicht da.«
Kinder sind stur, sie wollen immer nur das, was sie kennen, dachte Paula. Aber die meisten Erwachsenen tickten wohl nicht viel anders. Also las sie ein drittes Mal das erste Kapitel – ohne Abweichungen vom Text. Langsam schien Manuel nun doch müde zu werden.
Als er schließlich von Paula wissen wollte, ob die Guten am Ende gewinnen, beruhigte sie ihn mit den Worten: »Ja, die Guten siegen. Die Bösen verlieren immer.« Zufrieden mit dieser Antwort, rollte er sich in seine Decke ein und schlief binnen weniger Minuten tief und fest. Paula strich zärtlich über die sich
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