Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
Vom Netzwerk:
Tommi Blank zur Linken und der Bohnenstange Max Jahnke zur Rechten. Die beiden waren ziemliche Gegensätze. Der über zwei Meter große und spindeldürre Max war äußerst introvertiert, geradezu schüchtern, dafür ein Ass am Computer. Der sportliche Tommi war am liebsten mit Paula draußen »auf Kontrollgang«, wie er das nannte, oder auch bei Zeugenbefragungen dabei. Gegenüber saß Marius, bereits jetzt im Frühjahr leicht gebräunt, weil er das ganze Jahr über Kajak fuhr und erst vor Kurzem seinen Jahresurlaub auf den Balearen verbracht hatte.
    Paula sah, dass Herbert, wie immer förmlich mit Schlips, Kragen und Weste gekleidet, verschiedene Unterlagen über Würmer vorbereitet hatte.
    Sie zog die Mappe mit den Fotos von der Leiche und dem Tatort zu sich heran. »Was ist mit dem Obduktionsbericht?«
    »Ist da«, sagte Ulla, die Sekretärin. »Hab ihn schon kopiert. Wer möchte?« Mit ihren langen Fingern und den lackierten Nägeln in verschiedenen knalligen Rottönen schob sie die Kopien des Berichts von Dr. Martina Weber zu Paula hinüber und stellte zwei Kannen mit Tee und frischem Kaffee und mehrere Wasserflaschen auf den Tisch. Seit Ulla nicht mehr auf Diät war, hatte sich ihre Laune deutlich verbessert. Sie war die gute Seele des Teams, jederzeit ansprechbar und auch in Stresszeiten stets gelassen.
    Paula überflog den Text laut. »Datum und Zeitpunkt des Todes: Nacht vom 26. auf 27. März, zwischen dreiundzwanzig Uhr und Mitternacht – nach livor mortis, rigor mortis und algor mortis …«, sie reichte ein Autopsie-Foto der Toten herum – »also Totenflecken, Leichenstarre und Körpertemperatur. Name Lea Buckow, Geburtsdatum 01. 07. 1964, Geschlecht weiblich, Gewicht 65, 5 Kilo, Größe 171 cm, Augenfarbe blaugrün (laut Reisepass). Todesursache: Herzinfarkt.«
    Paula hielt einen Moment inne und hatte wieder das fahle Antlitz der Toten mit dem schwarzen Haar in der großen Blutlache und den fett gefressenen und verknäulten Würmern im Gesicht vor Augen.
    »Herzinfarkt? Einfach so?«, fragte sie in die Runde. »Hat das Drogen-Screening was ergeben?«
    Max schüttelte den Kopf. »Nein, weder Barbiturate noch Benzodiazepine, Antidepressiva oder Ähnliches. Die Dame hatte zwar ordentlich gebechert, aber andere Rauschmittel haben sie nicht feststellen können. Jedenfalls nicht die gängigen.«
    »Das hätte auch noch gefehlt«, meinte Paula mehr zu sich selbst und trommelte nachdenklich mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. »Und was ist mit dem toxikologischen Bericht?«
    »Der ist in Arbeit«, sagte Ulla.
    »Was melden unsere Freunde vom Labor?«
    »Ich habe noch nichts gehört. Fingerabdrücke, Faserspuren und so weiter – das dauert sicher noch bis morgen oder übermorgen«, sagte Max, der engen Kontakt zu den Beamten der Spurensicherung hielt.
    »Was ist mit den Hautresten unter ihren Fingernägeln?«
    »Die DNA-Untersuchung kommt auch erst morgen oder übermorgen«, ergänzte Herbert.
    »Das wär doch was!«, sagte Marius.
    »Wahrscheinlich stammt die DNA unter ihren Fingernägeln von einem weißen Mann europäischer Herkunft«, grinste Tommi.
    »Was war mit dem Mageninhalt?«, wollte Paula wissen.
    »Nichts Auffälliges. Sie hat wohl mittags noch Pasta mit Gorgonzola-Sauce gegessen.«
    »Und der Blutalkohol? Max sagt, sie hatte einiges intus.«
    »Jede Menge sogar. Genauer gesagt: 2, 2 Promille. Femoralvene. Du kennst ja das Prozedere.«
    Paula wusste, dass eine postmortale Blutentnahme über die Oberschenkelvene erfolgte, deren austretendes Blut asserviert und auf seine Alkoholkonzentration untersucht wird. Die Blutalkoholbestimmung bei einer Leiche zeigt den Wert zum Zeitpunkt des Todes an. Dieser Wert bleibt konstant, unabhängig davon, wann das Leichenblut untersucht wird. Nach dem Tod eines Menschen kann kein weiterer Alkoholabbau mehr erfolgen, weil der Stoffwechsel mit Eintritt des Todes stillsteht.
    Wo hatte Lea Buckow solche Mengen Alkohol zu sich genommen?, überlegte sie. War sie vielleicht von ihrem Mörder betrunken gemacht worden, damit sie eine leichte Beute war?
    Sie nahm einen Schluck Wasser und fuhr mit dem Bericht von Dr. Weber fort: »Es handelt sich um die Leiche einer schlanken Frau. Sie weist die typische Blässe sowie Totenstarre auf. Keine Tätowierungen, Missbildungen oder Amputationen. Zu den fehlenden Augäpfeln siehe weiter unten. Das Opfer hat am Bauch eine OP-Narbe von 3, 5 cm Länge, die aus einer Blinddarmentfernung resultiert. Beide Ohrläppchen sind

Weitere Kostenlose Bücher