Unschuldig
Drehbücher oder für die Rolle, die er spielt. Er interessiert sich nur für sich selbst. Und hier die beiden Assistenten Giftel und Gockel, die ihre Meinung gleich zu Anfang auf den Punkt bringen: Felix ist ein Miststück. Einfach eine linke Kröte. Unberechenbar. Das wird Ihnen jeder im Produktionsteam bestätigen. Jedenfalls jeder, der schon mal mit ihm gearbeitet hat. «
Paula nahm einen großen Schluck Kaffee und fuhr fort: »Die Schauspielerin Nadine Woerner ist da allerdings ganz anderer Meinung: Er war ein ganz wunderbarer Kollege, ich liebte ihn sehr. Und so talentiert! Eigentlich hätte er in der ersten Reihe spielen und internationale Preise bekommen müssen. Aber er war immer bescheiden. Schade, dass er nie ganz groß rausgekommen ist. Er hatte leider niemanden, der sein Talent erkannt und gefördert hätte. Die Maskenbildnerin Bettina Breuer sagte Folgendes: Ein äußerst launischer Typ, nervte tierisch rum, kam oft zu spät und fand mein Make-up nie gut genug. Immer meinte er, er käme viel zu hässlich in den Filmen rüber. «
Paula räusperte sich. »Weiter geht’s, hier noch eine Schauspielkollegin, Melissa Morton: Wir hatten regelmäßig Streit. Gerade beim letzten Film. Wir kennen uns zwar schon lange, aber Felix schafft es einfach nicht, über sein Ego zu springen. Während der ersten Takes ist er überzeugt, ganz schrecklich zu sein und nichts zu können. Danach sagt er sich dann, auch egal, bildet sich plötzlich ein, ganz okay zu sein, bis er sich schließlich für den neuen George Clooney hält. Allerdings nur so lange, bis er den fertigen Film sieht. Dann hat er regelmäßig einen Nervenzusammenbruch und rennt zu seinem Therapeuten. Felix genießt diese Sitzungen bestimmt total. Da dreht sich endlich alles um ihn. «
»Die Aussagen der Kollegen aus dem Filmgeschäft sind sehr unterschiedlich«, fasste Paula zusammen und schrieb jeden dieser Namen entweder unter die Rubrik negativ oder positiv oder neutral . Unter positiv schrieb sie nun: Tim Möller. »Hier sagt der Regisseur: Felix war ein prima Kumpel, das muss ich sagen. Wir kennen uns schon seit mindestens zehn Jahren. Ich habe mehrere TV-Filme mit ihm gemacht. Er war total zuverlässig, immer gut vorbereitet, und es gab kein langes Hin und Her wie mit vielen seiner Kollegen, die sich erst mal einen Hut auf den Kopf setzen und ewig psychologisieren müssen, bevor sie bei einer Leseprobe die Rolle des Kommissars übernehmen können. «
Anschließend gab es eine längere Diskussion um das Bild, das sich jeder der Ermittler von dem Täter machte. Der erste kritische Blick fiel natürlich auf die familiäre, berufliche und gesellschaftliche Umgebung des Opfers, daher konnte die Frage nicht außer Acht gelassen werden, ob einer aus dem Filmteam für die beiden Morde infrage käme. Immerhin arbeiteten Lea Buckow und Felix Kleist nicht nur beim Film, sondern kamen dazu noch im selben Projekt kurz nacheinander ums Leben. Andererseits waren die Morde so außergewöhnlich brutal, dass jeder von ihnen berechtigte Zweifel hegte, ein normaler Mensch könnte zu einer solchen Tat imstande sein. Aus dem Team schien ihnen allerdings bisher niemand eine derart gestörte Persönlichkeit aufzuweisen.
Sascha Buckow kannte Felix Kleist, hatte aber erstens kein Motiv und zweitens ein wasserdichtes Alibi für den Abend und die Nacht, in der der Schauspieler mit seinem mutmaßlichen Mörder in der Paris Bar gegessen hatte. Marius hatte Buckow nach Hause gefahren, und die Kollegen hatten kurz darauf seine Überwachung übernommen. Der Produzent hatte die Nacht allein in der Villa verbracht. Auch für Leas Ermordung hatte er letztlich kein Motiv, denn ihr Erbe ging laut Testament an ihre Eltern, und Buckow selbst hatte durch seine Immobilien sowieso finanziell ausgesorgt. Somit profitierte er zumindest materiell gesehen nicht vom Tod seiner Frau. Zudem war sein Verhältnis mit seiner Assistentin tatsächlich auch Lea bekannt und wurde anscheinend von ihr akzeptiert, wie die Ermittler aus zahlreichen Befragungen ihrer Mitarbeiter und Bekannten erfahren hatten.
Allerdings hatten sie in dem schwarzen Notizbuch, das Paula aus dem Schlafzimmer von Lea Buckow mitgenommen hatte, zwei Termine mit einem bekannten Berliner Scheidungsanwalt entdeckt. Dr. Leineweber bestätigte der Polizei, dass die Produzentin in den letzten vier Wochen zwei Termine mit ihm vereinbart, aber keinen davon wahrgenommen, sondern kurz vor der jeweiligen Verabredung ohne Begründung
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