Unschuldig!
eingenommen hatte. “Was machen Sie da?”
Der Reporter drehte sich um, hielt ein Spachtelmesser in der Hand und lächelte auf die gleiche entwaffnende Art, die sie schon am Tag zuvor so irritiert hatte. “Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus. Ich bin Frühaufsteher und musste nach meinem morgendlichen Joggen irgendetwas tun.”
“Und das Erste, was Ihnen einfiel, war die Reparatur meines Fensters?”
Er zuckte mit den Schultern. “Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich mich gerne nützlich mache.”
“Woher haben Sie die Scheibe?”
“Aus Larrys Eisenwarenhandlung. Zum Glück verkaufen die an Handwerker und machen früh auf.”
Julia sah ihn überrascht an. Sie hatte doch Larry angerufen. “Larry hat mir gesagt, er sei sogar zu beschäftigt, um das Glas zu schneiden. Wie haben Sie ihn dazu gebracht, es sich anders zu überlegen?”
“Ich habe ihn einfach gefragt.”
“Haben Sie ihm gesagt, dass es für mich ist?”
Mit einem Finger drückte Steve ein wenig Kitt in die Rille, die am Fensterrahmen entlang verlief. “Hab ich. Erst war er etwas störrisch, aber ich habe ihm angeboten, dass ich es auch gerne selber schneide.” Er strich seinen Finger am Rand der Dose ab. “Danach war er ganz friedlich.”
Mit verschränkten Armen stand Julia da und betrachtete ihren Gast plötzlich mit neuem Interesse. “Wieso habe ich das Gefühl, dass Sie mehr getan haben, als nur vorzuschlagen, das Glas selber zu schneiden?”
“Ich weiß nicht. Wieso?”
“Nennen Sie es Instinkt.”
“Larry und ich kommen miteinander aus.” Er sprühte Fensterputzmittel auf die Glasscheibe und wischte sie mit einem Küchentuch sauber. Die Flasche musste er so wie die Leiter im Schuppen gefunden haben. “Übrigens wird er Sie heute wegen des farbigen Glases anrufen. Das ist eine Sonderbestellung, die kann einen Monat oder noch länger dauern. Bis dahin muss das hier genügen.”
“Das wird es. Ich meine … danke.” Julia war noch immer verblüfft, dass sich ein völlig fremder Mensch solche Mühe machte, während sie zum Schreibtisch ging, wo sie ihre Handtasche aufbewahrte. Mit der Geldbörse in der Hand kehrte sie zu ihm zurück. “Wie viel schulde ich Ihnen für die Scheibe?”
“Gar nichts.” Er kam von der Leiter herunter und wischte sich die Hände ab. “Larry entschuldigt sich auf die Weise für sein schroffes Verhalten Ihnen gegenüber. Er hat gesagt, dass er Ihnen keine Schwierigkeiten machen wollte. Er hat in letzter Zeit ziemlich unter Stress gestanden.”
Julia musste verblüfft lachen. Stress gehörte nicht zu den Zuständen, die sie mit Larry in Verbindung gebracht hätte, aber tatsächlich wissen konnte sie es nicht. “Tja … also gut. Aber wenn Sie schon kein Geld nehmen, dann mache ich Ihnen wenigstens ein Frühstück. Schwarzer Kaffee scheint mir für das, was Sie gemacht haben, nicht genug zu sein.”
Während sie redete, ging sie zum Kühlschrank und holte einen Beutel heraus. “Wie wäre es mit Waffeln?” fragte sie und hielt den Beutel hoch. “Die sind Andrews Lieblingsfrühstück, und es ist kein Problem, ein paar mehr zu backen.”
Steve betrachtete den Beutel in ihrer Hand. “Reden wir hier über
selbst gemachte
Waffeln?”
“Etwas anderes kommt mir nicht ins Haus. Ich erhöhe auch noch um Erdbeeren, frisch aus meinem Garten.”
“Warum fühle ich mich auf einmal so hungrig?”
Sie lachte und nahm ein Sieb von der Theke. “Ich nehme an, dass das ein Ja ist.”
Seinen Ellbogen auf die Leiter gestützt, sah Steve ihr nach, wie sie zur Hintertür ging. Die ausgebleichte Jeans umspannte ihren wohlgeformten Po wie eine zweite Haut, und da war genug Schwung in ihren Hüften, um eine Welle purer Lust durch seinen Körper zu jagen. Die unerwartete Reaktion machte ihn völlig perplex. Zu Hause waren wunderschöne weibliche Körper praktisch ein alltäglicher Anblick, und er machte sich nie die Mühe, zweimal hinzusehen. Jedenfalls so gut wie nie.
Aber wieso Julia Bradshaw? Eine Frau, die er kaum kannte? Eine Frau, die nach allem, was er gehört und gelesen hatte, eine kaltblütige Mörderin sein konnte?
“Hi.”
Als er die junge Stimme hörte, schüttelte Steve seine lüsterne Trance ab und drehte sich um. Ein hübscher Junge mit blonden Haaren und aufgeweckten blauen Augen betrachtete ihn aufmerksam mit zur Seite geneigtem Kopf.
“Selber hi.”
“Ich bin Andrew”, sagte der Junge, kam auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen.
So wie immer, wenn er Kindern
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