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Unschuldig!

Unschuldig!

Titel: Unschuldig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Heggan
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an.
    Eine Haarsträhne klebte an ihrer feuchten Wange. Er schob sie fort, bevor sie es selbst machen konnte. “Wollen Sie darüber reden?”
    “Nein.” Sie trank einen Schluck Wasser. “Ja.”
    Sie schwieg einige Augenblicke, dann kehrten Erinnerungen zurück, die sie in eine entlegene Ecke ihres Gedächtnisses verdrängt hatte. “Ich war elf Jahre alt, als er uns verließ”, begann sie mit immer noch bebender Stimme. “Im einen Moment war er da, im nächsten war er verschwunden. Ich war am Boden zerstört. Ich wusste nicht, wie ich damit zurechtkommen sollte. Meiner Mutter ging es nicht viel besser, und mein Bruder tobte eine ganze Woche lang.”
    “Warum hat er Sie verlassen?”
    Sie starrte auf das Glas in ihrer Hand. “Er trank. Sehr viel. Er ging wochenlang auf Sauftouren, er vergaß, nach Hause zu kommen. Ein paar Jahre zuvor hatte man ihn aus der Army geworfen, seitdem nahm er immer wieder irgendwelche Aushilfsjobs an, von denen er keinen sehr lange behielt. Ich schlief jeden Abend ein, während ich im Nebenzimmer meine Mutter weinen hörte. Und dann waren da die Streitereien, von denen wir nichts mitbekommen sollten, die Vorwürfe, das Schlagen von Türen, die Nachbarn, die einen Bogen um uns machten, und die Kinder, die uns hänselten.”
    “Das tut mir Leid”, sagte er leise.
    “Wir haben es überlebt. Es war nicht einfach, aber wir haben es geschafft. Nachdem er gegangen war, nahm meine Mutter eine zweite Arbeitsstelle an, damit das Geld reichte. Ich erinnere mich daran, dass sie abends nach Hause kam und so müde war, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Aber sie hatte immer Zeit für uns, sie hörte sich unsere Probleme an, sie tröstete uns. Wir fühlten uns nie von ihr vernachlässigt.”
    Julia lachte. Es war ein trauriges, leises Lachen, das fast in ein Schluchzen überging. “Ich habe immer auf ihn gewartet. Jeden Abend nach dem Essen saß ich in meinem Zimmer am Fenster und wartete darauf, dass er mit seinem alten Chevy um die Ecke kam. Jedes Mal, wenn ich ein Scheinwerferpaar sah, machte mein Herz einen Satz, weil ich dachte, er würde endlich nach Hause kommen.”
    “Und wo ist Ihr Bruder jetzt?”
    Sie schloss die Augen und begann wieder zu weinen. “Er ist tot. Er war Detective in der Rauschgiftabteilung beim Monterey Police Department. Vor einem Jahr kam er bei einer Drogenrazzia ums Leben.”
    Steve sagte nichts. In solchen Augenblicken reichten Worte einfach nicht aus.
    Er sah, dass sie ihre Hände zu zierlichen Fäusten ballte. Einen Moment lang war das einzige Geräusch im Zimmer ein gelegentliches Schluchzen.
    “Jordan hatte seiner Trauer auf andere Weise Ausdruck verliehen”, fuhr sie fort. “Nachdem er aufgehört hatte zu heulen, bekam er einen Wutanfall und zerstörte alles, was ihn an seinen Vater erinnerte. Jedes Spielzeug, das Coop ihm jemals geschenkt hatte, jedes Foto, jedes Stück Kleidung, das er zurückgelassen hatte. Wir konnten ihn nicht aufhalten.”
    Sie sah Steve mit mattem Blick an. “Heute habe ich erfahren, dass Coop von Jordans Tod wusste und dass er zu betrunken war, um zur Beerdigung zu kommen.” Eine Träne lief ihr über die Wange, sie wischte sie wütend weg. “Können Sie sich das vorstellen? Er war zu betrunken, um zur Beerdigung seines Sohnes zu kommen.”
    “Alkoholismus ist eine schreckliche Krankheit, Julia. Er kann aus den liebevollsten und zuverlässigsten Menschen …”
    “Hören Sie auf, sich auf seine Seite zu stellen! Sie kennen ihn nicht. Und Sie wissen nicht, wie es für uns gewesen ist.” Sie drückte ihren Hinterkopf gegen das Polster und starrte an die Decke. “Ich habe ihn so sehr geliebt, aber er hat diese Liebe einfach weggeworfen.”
    “Nein, das hat er nicht. Sonst wäre er nicht zurückgekommen und hätte sich Ihrem Zorn und Ihrer Ablehnung gestellt. Ich glaube, ich verstehe, was Sie durchgemacht haben”, sagte Steve. “Ich weiß, was es heißt, seinen Vater zu verlieren.”
    Julia zwinkerte, um ihre Tränen zu unterdrücken. “Hat Ihr Vater Sie auch verlassen?”
    “Nein. Er starb.”
    “Oh.” Sie strich ihr Haar zurück. “Das tut mir Leid.”
    “Ich ging zu der Zeit aufs College, meine Schwester war noch in der High School. Meinem Vater gehörte eine kleine Charterfluglinie in Miami. Er war außerdem Mitglied einer Organisation namens Brothers to the Rescue.”
    “Davon habe ich gehört.” Mit einem Taschentuch tupfte sie die Tränen ab. “Sie fliegen Einsätze, um anderen Kubanern zu

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