Unschuldig!
helfen, die ihr Land verlassen wollen.”
Steve starrte in die Ferne. “Das gehört mit zu den Dingen, die sie machen. Und mein Vater machte das sehr gut. Er ist Dutzende dieser Missionen geflogen, immer mit Erfolg. In einer Nacht stieg er auf mit Ziel Havanna, um meinen Onkel zu retten, der im Land geblieben war, als Castro an die Macht kam. Dad hatte alles geplant: die Route, die geringe Flughöhe, um nicht entdeckt zu werden, die Landebahn auf einem verlassenen Stück Strand, wo mein Onkel mit seiner Familie warten sollte.”
Julia vergaß für einen Moment ihren Schmerz und beugte sich vor. “Was ist geschehen?”
“Er unterschätzte Castros neue Technologie und die Möglichkeit, tief fliegende Maschinen zu entdecken. Zwei Meilen vor der kubanischen Küste wurde die Maschine meines Vaters abgeschossen. Die kubanische Luftwaffe machte sich nicht mal die Mühe, ihn zu warnen. Sie schickte keine Maschine, die meinen Vater zum nächsten Luftwaffenstützpunkt begleitet hätte. Sie eröffnete einfach das Feuer. Mein Vater hatte keine Chance. Sein Flugzeug explodierte und stürzte ins Meer. Nur ein paar Leichenteile wurden geborgen.”
“O Steve, das ist ja entsetzlich.” Julia legte eine Hand auf seinen Arm. “Für Sie und Ihre Familie.”
“Wir waren danach nie wieder eine richtige Familie. Wir drei stehen uns sehr nahe, und inzwischen hat meine Schwester Kinder, aber ohne meinen Vater ist es nicht mehr so wie früher.”
“Er starb für eine Sache, an die er geglaubt hat.”
“Ich weiß, aber ich habe mich mit ihm oft über diese Missionen gestritten. Ich habe ihm gesagt, sie seien zu gefährlich, dass er aufhören solle, dass er nach einer anderen Möglichkeit suchen solle, um diesen Menschen zu helfen. Er hat nur gelacht. 'Anders kann ich meinem Volk nicht helfen,
hijo
', hat er zu mir gesagt. 'Ich muss das einfach machen.' Danach habe ich nie wieder etwas gesagt, aber wir wussten beide, dass er mich nicht überzeugt hatte.”
Steve sah wieder zu ihr. “Ich beneide Sie, Julia. Ihr Vater ist hier. Ich hätte alles gegeben, um meinen Vater noch einmal zu sehen, um ihm sagen zu können, dass ich ihn geliebt habe, dass ich verstanden habe, warum er so handeln musste.”
Abrupt zog Julia ihre Hand zurück. “Ich hoffe nicht, dass Sie Ihren Vater mit meinem vergleichen wollen.”
“Nein. Was ich sagen will, ist, dass das Bedauern für etwas, das wir hätten machen können, aber nicht getan haben, oft mehr schmerzen kann als der Verlust selbst.”
Hinter sich hörte Steve, dass die Tür geöffnet wurde. Als er sich umdrehte, sah er Andrew in der Türöffnung stehen. “Wo ist Grandpa?” Seine Stimme war tonlos, sein Ausdruck kühl, während er sich umsah.
“Er ist gegangen …”, begann Julia.
Der Blick des Jungen erfasste sie. “Hast du ihm gesagt, dass er gehen soll?”
“Ich weiß, dass das für dich nur schwer zu verstehen ist, Andrew …” Sie wollte auf ihn zugehen, aber er machte einen Schritt nach hinten.
“Du hast es ihm gesagt, nicht?” schrie er. “Du hast ihn weggeschickt. Er ist so weit gefahren, weil er bei uns sein wollte. Und du hast ihn weggeschickt.”
“Andrew, du weißt überhaupt nichts über ihn.”
Tränen liefen Andrew über die Wangen, die Julias eigenen Schmerz noch stechender zu machen schienen. “Ich weiß, dass er böse Dinge gemacht hat. Aber er ist zurückgekommen. Er wollte sich entschuldigen.”
“Ich kann jetzt nicht darüber reden”, sagte Julia und sah so aus, als sei sie selbst ebenfalls wieder den Tränen nahe. “Warum gehst du dir nicht die Hände waschen? Das Abendessen …”
“Ich will kein Abendessen!”
Mit diesen Worten stampfte er aus dem Zimmer und warf die Küchentür hinter sich zu.
15. KAPITEL
C oop öffnete eine Dose Coke aus dem Sechserpack, den er auf dem Rückweg von der “Hacienda” gekauft hatte, während er sich wünschte, eine Dose Bier vor sich zu haben.
Nach Julias Zurückweisung hatte er sich so verdammt erniedrigt gefühlt, dass er einen Moment lang befürchtet hatte, er könnte in Versuchung geraten, tatsächlich einen Sechserpack Bier zu kaufen. Er hatte seine gesamte Willenskraft aufbringen müssen, um sich von dem verlockenden Aufsteller zu entfernen.
Die Schultern leicht gebeugt, ging er zum Fenster seines Motelzimmers und sah zu, wie ein Sattelschlepper auf den Parkplatz fuhr.
Sein Versuch, sich mit seiner Tochter zu versöhnen, war vollends gescheitert. Sie hatte ihm unmissverständlich gesagt, dass
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