Unschuldig!
mit Fragen überschüttet, als wäre ich eine Maschine.”
Steve verkniff sich ein Lächeln, als er sich vorstellte, wie Agenten in schwarzen Anzügen in Esthers Wohnzimmer saßen und immer wieder nervös auf die Uhr sahen, während eine einsame, alte Dame mit einer Katze auf dem Schoß versuchte, gastfreundlich zu sein. Er hätte darauf wetten können, dass sie keine Zitronenlimonade hatten trinken wollen.
“Die schmeckt sehr gut”, sagte er, nachdem er in aller Ruhe einen Schluck getrunken hatte. Während Esther zustimmend lächelte, sah er zum Haus auf der anderen Straßenseite. Elis Garten, der nicht so üppig war wie der von Esther, sah gepflegt aus. Steve konnte einen Rasensprenger sehen, der jeden Zentimeter des kleinen Vorgartens beregnete.
“Ich konnte nicht zulassen, dass seine Blumen sterben”, sagte Esther, die seinem Blick gefolgt war. “Die Gartenarbeit war eine der wenigen Freuden, die Eli hatte.”
“Jennifer sagte, Sie hätten sich um sein Haus gekümmert, wenn er auf Reisen war.”
“Nur um seinen Garten”, berichtigte sie ihn. “Und das in der Zeit, bevor er krank wurde. Danach ist er nie wieder weg gewesen.” Sie deutete auf den Teller. “Ein Keks?”
Steve hasste Ingwerkekse, nahm aber trotzdem einen. “Und Sie haben auch nach ihm gesehen, nachdem er erkrankt war.”
“Ach, am Anfang musste ich nicht oft nach ihm sehen. Er war hin und wieder etwas durcheinander, er vergaß meinen Namen. Aber insgesamt ging es ihm gut. Ich habe zwei- oder dreimal in der Woche nach ihm gesehen, um zu hören, ob er irgendetwas brauchte. Es hat mir nichts ausgemacht. Außerdem war er früher immer so nett zu mir gewesen, so aufmerksam. Wissen Sie, er hat immer daran gedacht, mir von seinen Reisen etwas mitzubringen – teure Seife aus Deutschland, Schokolade aus der Schweiz.” Sie deutete auf den Teller mit den Keksen. “Den hat er mir mal aus Frankreich mitgebracht.”
Steve stellte sein Glas ab und betrachtete den Teller genauer. Er war klein, aber hübsch, mit einem eingravierten Blumenmuster und einen bogenförmig geschwungenen Rand.
“Sehr hübsch.” Er sah auf. “Sie sagten, dass Eli Ihnen den aus Frankreich mitgebracht hat?”
Esther nickte. “Aus einem kleinen Antiquitätengeschäft in der Rue Jacob. Die ist in Paris”, fügte sie recht stolz hinzu.
“Wissen Sie noch, wann das war?”
Sie überlegte einen Moment lang. “Sommer 1987, glaube ich. Oder vielleicht Herbst?” Sie hob beiläufig die Schultern. “Ich weiß es nicht mehr genau, aber es war um diese Zeit.”
Steve kommentierte ihre Antwort mit einem Nicken. Wann und wo das Objekt gekauft worden war, ließe sich leicht feststellen. Schwieriger würde es wohl sein, Mrs. Hathaway davon zu überzeugen, sich für ein paar Tage von diesem guten Stück zu trennen.
“Haben Sie den Teller den FBI-Agenten gezeigt?” fragte er.
“Nein … warum?” Sie sah mit einem Mal beunruhigt aus und hörte auf, die Katze zu streicheln. “Daran habe ich nie gedacht. Sie waren auch nur ein paar Minuten hier und haben sich nur für Elis Haus interessiert.”
“Das ist schon in Ordnung, Mrs. Hathaway. Sie haben nichts falsch gemacht.” Er wartete, bis ihre Finger wieder über Houdinis Fell strichen, dann fuhr er fort: “Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich diesen Teller für eine Weile ausleihe und einem Antiquitätenhändler zeige?”
Ihr Gesicht verriet eine gewisse Bestürzung. “Warum um alles in der Welt wollen Sie das denn machen?”
“Ich muss wissen, wo Eli ihn gekauft hat.”
“Das habe ich Ihnen gesagt”, bemerkte sie ein wenig gereizt. “In einer Galerie in der Rue Jacob.”
“Ich bin sicher, dass er ihnen das gesagt hat, aber ich möchte es gerne überprüfen.”
“Sie glauben, dass er gelogen hat.” Ihr Tonfall wurde vorwurfsvoll.
“Das könnte sein.” Steve beugte sich vor. “Vertrauen Sie mir, Mrs. Hathaway?”
Sie straffte ihre Schultern. “Ich kenne Sie nicht, Mr. Reyes.”
Ein erfahrener Reporter und zweifacher Pulitzer-Preisträger hatte ihm einmal gesagt, es gebe zwei Methoden, um Leute zur Kooperation zu bringen. Entweder müsse der Reporter lügen oder die Wahrheit sagen. Der Trick bestand darin, zu wissen, wann welche Methode anzuwenden war.
Nachdem er inzwischen gut eine Viertelstunde mit Esther Hathaway verbracht hatte, fand Steve, dass sie zu schlau war, um sich eine Lüge erzählen zu lassen. “Lesen Sie die Tageszeitungen, Mrs. Hathaway?” fragte
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