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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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Regionen, als fühlte er, wie er den eigenen Körper bewege und den Gegenstand in der beobachteten Weise anfasse. Motorische und somatosensorische Simulation sind keine getrennten Prozesse, sondern scheinen sich bei der Beobachtung von Handlungen übereinstimmend zu vollziehen. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die beiden Simulationsarten uns unterschiedliche, aber einander ergänzende Einsichten in das Handeln anderer liefern können. Motorische Simulation könnte uns mit der Fähigkeit ausstatten, die Absichten anderer zu fühlen und zu ahnen, was sie als Nächstes tun werden, denn Zukunftsplanung ist die zentrale Aufgabe unseres motorischen Systems. Dagegen könnte uns somatosensorische Simulation die Erkenntnis vermitteln, was für ein Gefühl es ist, so zu handeln: Lässt sich der Gegenstand schwer heben? Würde unser Körper ächzen oder frohlocken? 70
    Zusammenfassung
    Als die Spiegelneuronen entdeckt wurden, reagierten die meisten Fachleute skeptisch. Neuronen, die nicht nur feuern, wenn Menschen eine Handlung ausführen, sondern auch, wenn sie beobachten, wie eine ähnliche Handlung ausgeführt wird, passten nicht in das gängige Bild eines Gehirns, nach dem für die Beobachtung der Welt eine Reihe ganz anderer Gehirnareale zuständig waren als für die Planung des eigenen Handelns. Im Laufe der Jahre hat sich immer deutlicher erwiesen, dass es ein Spiegelsystem für Handlungen gibt, und entsprechend hat sich auch unsere Vorstellung vom Gehirn gewandelt: Heute gehen wir von einem stärker integrierten System aus, das die Handlungen anderer Menschen mit Hilfe jener Areale verarbeitet, die auch für die Planung des eigenen Handelns verwendet werden.
    Anfangs blieb diese neue Auffassung des Gehirns auf das motorische System beschränkt, doch in den letzten Jahren hat sich ihr Geltungsbereich ausgeweitet. Zum einen stellte sich heraus, dass die Emotionen anderer Menschen mit Hilfe gemeinsamer Schaltkreise verarbeitet und durch Aktivierung ähnlicher gesichtsmotorischer Programme und viszeraler Emotionen simuliert werden. Zum anderen scheinen sogar taktile Wahrnehmungen anderer Menschen durch gemeinsame Schaltkreise verarbeitet zu werden – wenn wir sehen, wie sie berührt werden oder wie sie sich bewegen. Angesichts der Beweise dafür, dass ein einziges Prinzip so viele verschiedene Bereich sozialer Kognition erklären kann, dürfte zweifelsfrei feststehen, dass wir ein wirklich fundamentales Prinzip der Gehirnarchitektur entdeckt haben. 50, 51

KAPITEL ACHT Mitempfinden lernen
    Gemeinsame Schaltkreise scheinen allgegenwärtig zu sein: Wir aktivieren unser eigenes Handeln, Empfinden und Fühlen, während wir miterleben, wie andere handeln empfinden und fühlen. Das wirft die einfache und doch entscheidende Frage auf, wie sich Spiegelneuronen entwickeln. Und weiter müssen wir uns fragen, wie ein einziges Neuron überhaupt auf drei Dinge reagieren kann, die physikalisch sehr wenig gemeinsam haben: Die Muskelkontraktionen bei Ausführung einer Handlung, die Photonen, die in unserem Auge auftreffen, während wir eine ähnliche Handlung sehen, und die Schallwellen, die wir hören, wenn wir diese Handlung hören.
    Die Plausibilität einer auf die gemeinsamen Schaltkreise gegründeten neurowissenschaftlichen Erklärung der sozialen Kognition steht und fällt mit unserer Fähigkeit, eine überzeugende Erklärung für die Entstehung dieser gemeinsamen Schaltkreise zu liefern. Im vorliegenden Kapitel werden wir in den Mikrokosmos der synaptischen Verbindungen hinabsteigen und eine Erklärung vorschlagen, die sich auf das sogenannte »Hebb’sche Lernen« stützt. Auch wenn ich mich in diesem Kapitel eingehender auf die Funktionsweise des Gehirns einlasse als bisher, sollten Sie ein wenig Geduld mit mir haben. Am Ende werden Sie feststellen, dass die gemeinsamen Schaltkreise kein Zauberwerk sind, sondern eine fast unvermeidliche Konsequenz unserer Biologie.
    Wie das Gehirn assoziieren lernt
    Donald Hebb (1904–1985) war ein kanadischer Psychologe und Neurowissenschaftler. Eine Zeit lang arbeitete er bei dem Neurochirurgen Wilder Penfield in Montreal. Wie oben gesehen, behandelte Wilder Penfield Epilepsie-Patienten, indem er die Gehirnstrukturen entfernte, in denen die epileptischen Anfälle offenbar entstanden. Donald Hebb stellte er ein, damit er anschließend die geistigen Funktionen der Patienten überprüfte. Penfield fragte sich, ob bestimmte Funktionen durch bestimmte Eingriffe gestört würden.
    Wenn

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