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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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vom Markt zu holen. Das ist das Markenzeichen ihrer Geschäfte und macht sie in der Region sehr beliebt. Was nicht verkauft wird, landet abends im Jugendheim auf dem Tisch. So kommt nichts um.
    Eigentlich ist Gudrun sehr zufrieden hier.
    Eigentlich ist Gudrun gar nicht zufrieden hier.
    Körperlich geht es ihr oft sehr schlecht; vom Tragen hat sie Rückenprobleme. Sie muss schwere Kisten und Kartons mit Dosen und Flaschen schleppen. Kartoffelsäcke. In den Keller und wieder rauf. Manchmal ist sie sehr niedergeschlagen, weiß aber nicht recht, warum. Doch ihr Chef kennt ein gutes Mittel dagegen: »Hast du das Sitzen?«, fragt er sie.
    »Ja, habe ich.«
    »Komm mal her, ich werde dich gleich wieder auffrischen.«
    Und ergreift den Viehtreiber. Gudrun erklärt, wie der funktioniert: »Das ist so ein Ding mit Batterien und zwei Polen, die er reindrückt. Man zuckt richtig zusammen. Das soll einen auffrischen. Oder er schnappt einen und wirft einen mit Klamotten in die Badewanne mit kaltem Wasser.«
    Oft sitzt sie da »wie ein Mauerblümchen«, hat zu nichts Lust. Es geht ihr schlecht, sie hat Schmerzen. Dann packt Alfred Schaak sie, trägt sie, ohne ein Wort zu sagen, ins Bad, taucht sie in der Wanne mit kaltem Wasser unter und geht weg. Das nennen sie »entpesten«.
    »Das Sitzen haben« – ein merkwürdiger Ausdruck. Was mag er bedeuten? In etwa: bist du schlecht gestimmt, geht es dir nicht gut? Es gibt viele solcher Wörter und Wendungen, die außerhalb der Gruppe nicht verstanden werden. »Entpesten« gehört dazu, »den Teufel blamieren«. Manche erfindet Schäfer, andere entstehen aus der Gruppe heraus. Wie in allen Sekten und isolierten Gruppen entwickelt sich eine eigene Sprache, Wörter werden verwendet, die Außenstehende in ihrer Bedeutung für die Gruppe nicht verstehen. Das trägt auch in der Privaten Socialen Mission zur Isolation bei.
    Beim ersten Mal »Entpesten« in der Wanne meint Gudrun, alle Schmerzen und alle Probleme seien wirklich im Wasser geblieben. Das ist die Erlösung, denkt sie. Später wird sie eher wütend.
    Alfred Schaak steckt auch andere in die Wanne. »Jemand mit Herzproblemen kriegt natürlich einen Schock«, sagt Gudrun. »Aber ich bin nicht so empfindlich. Mit dem Herzen sowieso nicht.«
    Ein eigentümlicher Brauch. Elektroschocks und kaltes Wasser. Wo Alfred Schaak das gelernt hat, bleibt unklar.
    Nun erlebt auch Gudrun Stress und Schuldgefühle. Alles ist ganz anders, als sie es sich vorgestellt hat. An erster Stelle, denkt sie, muss das Lernen stehen, und wenn dann noch Zeit ist, will sie gern beim Aufbau helfen. Aber es ist genau umgekehrt.
    Außerdem sieht sie Alfred Matthusen kaum noch. Aber sie ist doch hier um der Liebe willen? Zwar darf sie nun nicht mehr Trompete blasen, sondern muss Flügelhorn spielen. Bei den ersten Konzerten ist ihr ernstes kleines Gesicht mit dem schweren dunkelblonden Kranz neben Alfred zu sehen, der auch Trompete bläst. Nun muss sie zum Flügelhorn wechseln und sitzt nicht mehr neben Alfred. Anschauen darf sie ihn auch nicht mehr. Mit ihm reden sowieso nicht.
    Aber sicher wird er sie heiraten.
Da hat sie die Demut verlassen
    Anders als Gudrun hat Ida ihre Erinnerungen behalten. Eine davon steht ihr noch nach Jahrzehnten lebhaft vor Augen. Bei einer der vielen Versammlungen, die Schäfer abhält, kniet sie an seiner rechten Seite. Der Seite mit dem Glasauge. Sie kann ihn beobachten, aber er sieht sie nicht.
    Es nimmt kein Ende, denn erst wenn Paul Schäfer sein Amen gibt, ist Schluss. Niemand weiß mehr, was er noch beten oder bekennen soll. Idas Knie schmerzen auf dem Steinboden, schon als junge Frau hat sie Arthrose. Da wagt sie den Kopf zu heben und nach vorn zu gucken. Sie sieht Paul Schäfer, der aufrecht steht und mit tiefer Verachtung auf die Menschen herunterschaut, die vor ihm knien. Sein Blick sagt: »Wie weit kann ich es mit diesen Menschen noch treiben?«
    Bei diesem Anblick verlässt Ida die Demut.
    Eigentlich könnte sie jetzt gehen. Aber sie kann nicht. Ihre jüngere Schwester ist weicher und tief in die Gruppe eingebunden. Sie ist Ida überallhin gefolgt. Ida kann sie nicht alleinlassen.
    Sie bleibt, aber von nun an ist sie nur noch ein stiller Beobachter. Nimmt alles auf. Sieht die Hörigkeit. Einmal muss sie zum Zahnarzt und teilt es Maria Strebe mit. Die sagt: »Hast du den Paul gefragt?« Ida: »Maria, soll ich ihn auch noch fragen, ob ich aufs Klo gehen darf?«
    Auch so weit wird es noch kommen.
    Plötzlich fühlt sie sich

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