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Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte

Titel: Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Froehling
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sie wieder auseinander.
    Gudrun muckt auf, sagt Worte zu Schäfer, die sie nicht sagen darf und die ihr selbst tollkühn erscheinen: »Das ist hier ja wie in der Ostzone!« Ein fürchterlicher Vorwurf aus Sicht der Kolonisten, deren politische Einstellung in der Adenauer-Ära der Fünfzigerjahre stehen geblieben ist. Dann wird sie persönlich: »Seelsorger, was soll das eigentlich heißen? In meiner Bibel steht nichts von Seelsorger.« Das ist ein direkter Angriff auf Schäfer, den alleinigen Seelsorger der Kolonie. Da wird sie wieder »behandelt«. Ihre Erinnerung reicht dann immer nur bis zur Spritze. Und bis zum Gefühl eines starken Drehschwindels. Die Spritze gibt ihr jedesmal Dorothea Witthahn, die Ehefrau von Hartmut Hopp.
    Die Fluchtversuche nehmen zu, das zwingt Schäfer zu einer Reaktion. »Wir halten keinen«, sagt er auch hier, wie schon im Jugendheim Heide, »jeder kann gehen, und keiner muss bleiben. Wer wegwill, bekommt seine Papiere. Aber er soll das nicht tun wie ein Dieb in der Nacht, er soll es sagen.«
    Eines Tages nimmt sie Schäfer beim Wort, geht zu ihm und verlangt ihre Papiere. Drei Mal geht sie hin. Die Drei ist eine magische Zahl, vieles wird drei Mal getan oder gesagt hier. Vielleicht bedeutet das auch nur, immer wieder versucht sie, Schäfer umzustimmen. Sie lässt nicht locker. »Du hast es versprochen, jetzt halte dein Wort«, sagt sie. »Ich will meine Papiere haben, ich bleib hier nicht.«
    »Wo willst du denn hin?«, fragt Schäfer scheinheilig.
    »Zurück nach Österreich zu meinen Eltern«, antwortet sie. Das könnte dir so passen, Wagnerpest, denkt Schäfer. Gudrun zu ihren Eltern zurückzulassen, das wäre Munition für Wilhelm Wagner, den Schäfer vor zwanzig Jahren ins Gefängnis gebracht hat. Ein Insiderbericht über Folter in der Kolonie ist das Letzte, was Schäfer gebrauchen kann.
    »Geh in die Küche und warte dort«, sagt Schäfer schließlich.
    Kann das wahr sein?, fragt sich Gudrun. Habe ich ihn wirklich überzeugt? Weil ich so hartnäckig geblieben bin?
    Sie geht hinüber ins Freihaus, genannt nach Eduardo Frei Montalva, dem chilenischen Präsidenten von 1964 bis 1970. Schäfer weiß immer einen Weg, sich einzuschmeicheln, und wenn es eine ehrende Namensvergabe ist. Frei starb 1982 an einer Senfgas- und Thallium-Vergiftung, für die die DINA verantwortlich gemacht wird. Da Schäfer mit Manuel Contreras befreundet ist, weiß er auch dies.
    Nun wartet Gudrun in der Küche vom Freihaus und kann ihr Glück kaum fassen: Sie wird ihren Pass bekommen. Doch auch der Zweifel mischt sich in ihre Gedanken: Warum soll sie ausgerechnet in der Freihausküche warten?
    Nach einer Weile wird die Tür geöffnet und Kurt Schnellenkamp kommt herein. In der Hand hält er einen Knüppel, fast einen Meter lang und fünf Zentimeter dick. Er geht auf sie zu, und ohne ein Wort zu sagen schlägt er auf sie los. Er schlägt, wohin ergerade trifft. Sie versucht, ihr Gesicht zu schützen, doch das hilft ihr nicht. Schnellenkamp schlägt, bis sie am Boden liegt.
    »Steh auf«, befiehlt er, doch sie kann nicht. Da schlägt er weiter auf sie ein. Dann hebt er sie auf, wirft sie sich über die Schulter wie eine Rinderhälfte und bringt sie ins Kinderhaus, wo die 65-jährige Hanni Myslewitz die Aufsicht hat. Dort muss sie wochenlang allein in einem Einzelzimmer bleiben. Und wird »behandelt«.
    Als sie wieder auf den Beinen ist, flieht sie. Unter einem Vorwand beschafft sie sich vorher ihren Pass, der unter Verschluss gehalten wird wie alle anderen.
    »Ich möchte mir auch gern so eine hübsche Hülle für meinen Pass häkeln wie Dorothea sie hat«, sagt sie zu Ursula Schmidt, der Frau des Präsidenten. Ursula Schmidt leitet das Büro der Kolonie und hat die Pässe aller Kolonisten unter Verschluss. »Gib mir doch mal eben meinen, damit ich Maß nehmen kann.« Dieser Trick aus dem Nähkästchen weiblicher Klischees genügt, um die Aufpasserin einzunebeln. Gudrun bekommt den Pass, und noch in derselben Nacht flüchtet sie.
    Als Gudruns Flucht entdeckt wird, beschimpft Schäfer Ursula Schmidt wüst und unflätig, nimmt ihr den Schlüssel für den Dokumentenschrank ab, sie verliert die Büroleitung und wird im Krankenhaus zwangsbehandelt. Im Beschimpfen ist Schäfer Meister, er macht es gern und vor allen. Mistvieh, Dreckstück, Teufelsbrut, Hurengeist sind Wörter, die ihm leicht über die Lippen kommen. »Dieses Weibstück frisst, was sie geschissen hat«, sagt er einmal zu Lotti Packmor.
    Gudrun schafft

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