Unser Leben mit George
verschlang
sein Geld schneller, als seine Besucher die Gourmetgerichte verspeisen konnten,
aber es war eines der angesagtesten Restaurants in London, genau wie Whistlers,
das Schwesterrestaurant in der Kings Road, Chelsea. Bernie, der eine offene und
äußerst lebhafte Art hatte, machte sich immer einen Spaß daraus, uns Kinder zu
necken und in Verlegenheit zu bringen (er nennt mich bis heute ›Mickey Mouse‹,
der Spitzname, den er mir damals aufgrund meines Grinsens und meiner Nase gab).
Im Gegensatz zu ihm hatte Brenda einen beruhigenden Einfluss auf uns, sie war
praktisch und besonnen, klug und hilfsbereit und hatte immer Zeit, sich unsere
Probleme anzuhören. Sie war genau das, was man sich unter einer »richtigen
Mutter« vor stellte.
Für mich waren die Hanisons der
Mittelpunkt eines großen und glamourösen Bekanntenkreises, zu dem Pokerspieler,
Intellektuelle und Schriftsteller genauso gehörten wie Jack, Bernies
exzentrischer Vater, und die Freundschaften ihrer vier Kinder: des
siebzehnjährigen Laurence, des fünfzehnjährigen Andrew (oder Hanny, wie er
meist genannt wurde), Jenny, die vierzehn Jahre alt war, und Timothy, mit zwölf
Jahren das Nesthäkchen der Familie. Das große, weitläufige Haus in der Nähe von
Golders Hill Park stand der Schar von Teenagern stets offen, und bald gehörte
ich dazu. Meist kamen wir spät am Samstagnachmittag an, blieben oft über Nacht,
aßen sonntags mit der Familie im Keats zu Mittag und dachten gar nicht daran,
früher als Sonntagabend wieder nach Hause zu gehen. Jenny und Hanny gehörten zu
meinen engsten Freunden, und ich fühlte mich wie ein inoffizielles Mitglied der
Familie, deren Haus ich drei oder vier Jahre lang als mein zweites Zuhause
betrachtete.
Und nun zu den Hunden. Bei den Hanisons
liefen immer drei Cavalier King Charles Spaniels herum — Fanny, Sapphie und
ihre Tochter, Aphrodite. Ich sehe sie noch, wie sie hinter Brenda übers Parkett
trabten oder sich bei der alljährlichen Party am zweiten Weihnachtstag unter
die vielen Gäste mischten, unaufhörlich mit dem Schwanz wedelnd und bestrebt,
an die Platten mit den Feckerbissen zu gelangen. Sie waren herrliche Hunde,
liebevoll, verschmust und niemals ungehorsam; wie konnten sie auch ungehorsam
sein, wenn ihnen nichts verboten war? Das ganze Haus stand zu ihrer Verfügung,
sie sprangen einem auf den Schoß, saßen mit am Tisch und schliefen sowohl auf
Sesseln und Sofas als auch auf dem weißen Fell, das in der Eingangshalle vor
dem Kamin lag. Sie wurden von allen Familienmitgliedern geliebt, besonders von
Jenny. Wenn wir auf ihrem Bett herumlümmelten und über Jungens lästerten
(gewöhnlich waren wir gerade in den einen oder anderen Freund ihrer Brüder
hoffnungslos verliebt), dann kuschelte sich Aphrodite meist voll Mitgefühl
zwischen uns.
Obwohl es mir damals nicht bewusst war,
wurden Jenny und ihre Hunde für mich zu einem Symbol. Sie waren die
Verkörperung des idealen Familienlebens: freundlich und voller Wärme,
vielseitig und großzügig — eigentlich genau die Atmosphäre, die auch Udi so
mühelos verbreitet hatte. Es war die Lebensart, die ich jetzt, nach seinem Tod,
so sehr vermisste und zu der ich mich allein nicht imstande fühlte.
Als ich über die Geschichte des
Cavalier King Charles Spaniels nachlas, merkte ich sehr bald, dass die Hanisons
und ich nicht die einzigen Menschen waren, die dem Charme dieser Hunderasse
verfallen waren. Wir waren in bester Gesellschaft. Ursprünglich als Englischer
Zwergspaniel bekannt, waren sie wahrscheinlich das Ergebnis einer Kreuzung
zwischen Spanischen Jagdhunden und winzigen orientalischen Schoßhündchen wie etwa
dem Tibetischen Palastspaniel oder dem Japanischen Chin. Es waren Hunde, die
mit den heutigen Cavalieren fast identisch sind, und sie waren mindestens seit
dem 16. Jahrhundert die Lieblinge der europäischen Königshöfe. Man sieht sie
auf zahllosen Gemälden, wo sie fast so aristokratisch dreinschauen wie ihre
Besitzer. Auf einem französischen Gobelin aus dem 15. Jahrhundert sieht man
einen dieser Hunde, wie er an seiner Herrin hochspringt, auf Tizians Porträt
der Herzogin von Urbino aus dem Jahre 1538 liegt einer von ihnen
zusammengerollt da und schläft, und auf dem Doppelporträt der Königin Maria (›Bloody
Mary‹) und ihres Gemahls Prinz Philipp von Spanien, das Antonio Moro 1554, dem
Jahr ihrer Eheschließung, malte, sitzen zwei dieser Hunde brav zu Füßen der
Königin.
Maria und ihre Halbschwester Elizabeth
Tudor
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