Unser Leben mit George
Obwohl sie für mich alle gleich aussahen, deutete Mrs Colman auf zwei von
ihnen und sagte, diese seien noch zu haben. Sie müssten erst noch die Augen
aufmachen, erklärte sie, und ihre Zeichnung müsste sich auch noch entwickeln, aber
im Laufe der Zeit würden sie genauso hübsche Blenheims werden wie ihre Mutter.
Joshua wusste, dass er sie nicht
aufheben durfte, weil sie noch zu klein zum Spielen waren. Also kniete er sich
neben den Karton und streichelte die fiependen kleinen Tierchen. Sie seien
wunderschön, flüsterte er. Ich kann nicht sagen, dass ich sie auch schön fand.
Für mich waren es winzige, fette weiße Ratten mit langen Ohren. »Sie sind sehr
klein«, sagte ich zweifelnd und sah sie an. »Sie sehen noch ziemlich hilflos
aus.«
Mrs Colman musste herzlich lachen.
»Welpen wachsen sehr schnell, meine Liebe. Wenn Sie erst einen davon zu Hause
haben, rennt er überall herum, nagt alles an und pinkelt in jede Ecke. Keine
Angst, dann muss er aber nur noch viermal am Tag gefüttert werden. Und wenn Sie
auf seine Gewohnheiten achten und rechtzeitig reagieren, haben Sie ihn auch im
Nu stubenrein.«
Am liebsten wäre ich zum Auto
zurückgerannt und hätte laut »NEIN!« geschrien, als mir plötzlich der ältere
Welpe einfiel, den Mrs Colman am Telefon erwähnt hatte. Wenn der fünf Monate
alt war, war er dann nicht schon stubenrein? Mrs Colman machte ein zweifelndes
Gesicht, als ich davon anfing. Ja, natürlich war er stubenrein, sagte sie, bis
auf einen kleinen Ausrutscher hin und wieder, aber eigentlich wollte sie sich
nicht von ihm trennen. Sie hatte eine Schwäche für ihn, eigentlich war er von
allen ihren Hunden ihr Liebling. Aber ihr Mann bestand darauf, weil sein Kopf
nicht ideal war. Er sei viel zu groß, und deshalb war er als Zuchthund
ungeeignet. Und da er nutzlos war, hatten sie eigentlich keinen Platz für ihn.
Männlich, nutzlos, dickköpfig. Das
klang wie ein Witz unter Feministinnen, dessen Pointe wäre: Na und, gibt’s
denn auch noch andere? Aber wollte ich so was wirklich als Haustier? Ich
fragte, ob wir dieses kleine Ungeheuer wenigstens sehen dürften, ehe wir
heimfuhren. »Ach, Wahrscheinlich kann es nicht schaden, wenn Sie ihn sich mal
ansehen«, sagte Mrs Colman, und etwas widerwillig ging sie in die Küche
hinunter, um ihn zu holen.
Ich zog Joshua von dem Karton mit den
Winzlingen weg und ging ebenfalls zur Treppe. Als wir uns anschickten, nach
unten zu gehen, sprang uns eine kleine Engelsgestalt entgegen und begrüßte uns.
Wir blieben wie angewurzelt stehen.
Dieser Blenheim Cavalier war kein großköpfiges Monster. Er war ganz einfach der
schönste Hund, den ich je gesehen hatte. Er hatte riesige weiße Pfoten, war
rostrot und weiß gesprenkelt und sein Schwanz war eine herrliche Fahne aus
langen seidigen Haaren. Seine Augen waren groß und flehend, wie die eines
jungen Seehunds, dabei leuchteten sie wie zwei Scheinwerfer, und seine
Stupsnase war von hellbraunen Schönheitsflecken übersät. Ich hätte schwören
können, dass er uns anlachte, und sein süßer Gesichtsausdruck ließ einem glatt
das Herz schmelzen. Alle anderen Cavaliere, die ich bisher gesehen hatte, waren
hübsche Hunde gewesen, aber verglichen mit diesem fünf Monate alten Welpen
waren sie bestenfalls niedlich. Dieser junge Blenheim war schön — einfach
unglaublich schön. Es war die Schönheit eines Filmstars, bei der einem der Atem
stockt.
Joshua und ich setzten uns
nebeneinander hin und machten uns mit George bekannt — denn das war sein Name,
wie Mrs Colman erklärte, als sie wieder am Fuß der Treppe erschien. Er warf
sich uns entgegen, als wären wir seine lang verlorenen besten Freunde, er
leckte unsere Hände, trampelte über unsere Füße und japste eine begeisterte und
unverständliche Begrüßung. Und ehe ich mich’s versah, war er auf meinen Schoß
geklettert, hatte die Pfoten auf meine Schultern gelegt und zielte mit der
Zunge nach meinen Lippen.
Wenn es ums Verführen ging, ließ George
nichts anbrennen.
»Oh, ist er nicht wunderschön!«, rief
ich aus.
Ich hatte schon einmal Liebe auf den
ersten Blick erlebt, aber niemals bei einem Hund. Doch es dauerte nur Sekunden,
nachdem ich diesen gesehen hatte, und ich erlebte, was die Franzosen ein coup
de foudre nennen. Ich war vollkommen hingerissen, rettungslos verloren.
Wenn George wirklich einen außergewöhnlich großen Kopf haben sollte — was ich
wirklich nicht feststellen konnte — , dann wäre es bei einer solchen Schönheit
nicht
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