Unser Leben mit George
die Socke gekaut und den Inhalt herausgezerrt
hatte, war er meist so erledigt, dass er inmitten des aufgeweichten
Zeitungspapiers einschlief.
Es machte mir nichts aus, die
Unordnung, die George verursachte, aufzuräumen, selbst über die gelegentliche
Pfütze konnte ich hinwegsehen, denn ich liebte ihn. Er würde keine Preise für
Intelligenz gewinnen — ich glaube, mit seinem IQ war es nicht allzu weit her
aber wenn ich ihn ansah oder mit ihm schmuste, schmolz ich dahin. Wie ein
Blumenkind der sechziger Jahre liebte George jeden, angefangen von uns bis zu
dem verhinderten Einbrecher, den wir eines Nachmittags dabei überraschten, als
er versuchte, sich einen Weg in unseren Hausflur zu verschaffen. Georges
Schwanz wedelte ununterbrochen. Vielleicht ist es ein Merkmal dieser Rasse,
aber es gibt einen Witz über den Schwanz des Cavalier Spaniels: Mr Smith geht
mit seinem Cavalier zum Tierarzt und bittet darum, ihm den Schwanz zu
coupieren. »Warum in aller Welt wollen Sie das denn?«, fragt der schockierte
Tierarzt. »Es ist grausam, schmerzhaft und vollkommen unnötig! Und außerdem
sind Cavaliere bekannt für ihr Schwanzwedeln, damit drücken sie ihre Freude und
Liebe aus!« Mr Smith zuckt die Schultern. »Genau das ist es ja«, erwidert er
düster. »Meine Schwiegermutter kommt nämlich zu Besuch, und ich will nicht,
dass sie den Eindruck gewinnt, dass sich auch nur einer darüber freut.«
Aber auch wenn wir jetzt George hatten,
bedeutete das natürlich nicht, dass wir Udi nicht mehr vermissten. Jedoch hatte
George die Wirkung, die ich mir versprochen hatte, nämlich wieder Spaß in unser
Leben zu bringen und Frieden mit uns selbst zu schließen. Jetzt brauchten
Joshua und ich nicht mehr angestrengt nach einem Gesprächsthema zu suchen, wir
hatten immer etwas, worüber wir reden konnten: George. Wenn Joshua aus der
Schule kam, hatte er immer einen Spielgefährten: George. Am Wochenende hatten
wir immer einen guten Grund für einen langen Spaziergang auf Hampstead Heath:
George musste sich austoben. Und wenn Joshua, meine Nichte Jessica und Udis
Enkel Nathaniel im Wohnzimmer aus Kissen, Stühlen und Decken eine Burg bauten,
was sie oft machten und dabei das Zimmer verwüsteten, dann hatten sie jetzt
einen richtigen Gefangenen, den sie hineinsetzen konnten, den süßen, geduldigen
George. Wenn ich jetzt abends allein auf dem Sofa saß, während George
ausgestreckt vor dem Kaminfeuer lag, dann kam mir das Haus nicht mehr wie ein
Mausoleum vor, sondern wie ein richtiges Zuhause. Und für all das war ich
meinem Cavalier ewig dankbar. Ich konnte ihn gar nicht genug verwöhnen.
Und wie es schien, konnten andere ihm
ebenfalls nicht widerstehen. Völlig fremde Menschen blieben auf der Straße
stehen, um George zu bewundern, wenn ich mit ihm ausging. Kam ich an der Schule
vorbei, war er sofort von Kindern umringt, die ihn streicheln wollten. Mitunter
beugten sich erwachsene Männer und Frauen sogar herunter, um ihn zu knuddeln,
wobei sie in einer albernen Babysprache auf ihn einredeten. Der Rest meiner
Verwandtschaft war ebenfalls völlig hingerissen von George, einschließlich
meiner vierundneunzig Jahre alten Großmutter Laura und meiner Mutter Honey, die
den Tod ihres Yorkshireterriers Freddy, der gestorben war, als ich noch ein
Teenager war, nie ganz verwunden hatte.
Was Sue anbetraf... Nun, zwischen mir
und meiner Schwester hatte es immer eine gesunde Rivalität gegeben, und meist
behielt sie die Oberhand. Ihre glänzenden Schulzeugnisse — »Erstklassige
Arbeit!« »Ausgezeichnet!« »Wieder ein erfolgreiches Halbjahr!« — hatten die
meinen immer in den Schatten gestellt, was auch nicht schwer war, wenn die
Lehrer bestenfalls über mich sagen konnten, ich sei »faul«, »unordentlich« und
habe jenes mythische Etwas, das sie »mein Potenzial« nannten, immer noch nicht
erreicht. Als wir in das Alter kamen, wo Jungens eine Rolle spielten, standen
diese bei meiner hübschen Schwester seit ihrem dreizehnten Geburtstag Schlange,
um sich mit ihr zu verabreden, während ich meine Teenagerjahre überwiegend ohne
Freund verbrachte und meist irgendeinem langhaarigen Typ hinterherträumte, der
nicht einmal merkte, dass ich existierte. Später hatte Sue als Journalistin und
Kunstkritikerin mich beruflich wieder überrundet, von ihrem Einkommen ganz zu
schweigen. Jetzt hatte ich endlich etwas, was sie nicht hatte. »Wie konntest du?«, fragte sie aufgebracht, als sie uns besuchen kam und George zum ersten
Mal sah. »Du
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