Unser Sommer in Georgia
seinetwillen geheim hielt. Zum Teil stimmte das auch, aber inzwischen war ihr noch mehr bewusst geworden. Indem sie sich Braydens Großeltern offenbarte, würde sie eine neue Familie in ihr Leben einbeziehen.
Riley holte tief Luft. Sie stieg die Stufen zur Veranda hinauf und klopfte an die Haustür.
Eine panische innere Stimme befahl ihr wegzulaufen. Lass sie nicht in dein Leben herein!
Riley ballte die Fäuste, öffnete sie und hielt die Handflächen nach oben, als wolle sie etwas entgegennehmen.
Mrs Rutledge öffnete die Tür in einer blauen Schürze und mit einem Geschirrtuch in der Hand. Ihr dunkelbrauner Bob war zu einem perfekten Vidal-Sassoon-Look der siebziger Jahre gebürstet und mit Haarspray besprüht.
»Hallo, Riley. Was für eine wunderbare Überraschung! Kommen Sie doch rein, meine Liebe!« Sie öffnete die Tür weit. »Ich denke so gerne an die Zeit zurück, als die Kinder alle in unser Haus kamen.« Obwohl Riley größer war als sie selbst, tätschelte sie ihr die Schulter. »Für mich werdet ihr immer Kinder bleiben.«
Riley zögerte. Eigentlich wollte sie nicht eintreten, doch ihr war klar, dass ihr keine andere Wahl blieb. Solche Neuigkeiten teilte man einer ahnungslosen Großmutter nicht mit, während sie mit dem Geschirrtuch in der Hand in der Haustür stand. Sie folgte Mrs Rutledge ins Haus. Als sie durch das Wohnzimmer gingen, musste Riley lachen. »Dieses Ferienhaus hat sich überhaupt nicht verändert. Vor vielen Jahren hat mein Onkel Sam es mal gemietet.«
»Es ist ein hübsches kleines Haus.« Mrs Rutledge wandte sich zu ihr um. »Ich habe unser altes Haus sehr geliebt, aber es gibt einem so viel Freiheit, wenn man einfach abschließen und wegfahren kann und jemand anders sich um faulendes Holz und den neuen Anstrich für die Veranda kümmern muss.«
Als sie die Küche betraten, atmete Riley den unverkennbaren Duft von Pfirsichauflauf ein. »Ach, das riecht ja wunderbar! Es bringt Erinnerungen zurück.«
»Ja.« Mrs Rutledge ließ sich auf einem Stuhl am Küchentisch nieder und forderte Riley mit einer Geste auf, sich ebenfalls zu setzen. »Auf Schritt und Tritt finde ich Erinnerungen. Das habe ich mir von dieser Reise gewünscht, aber noch einmal könnte ich das nicht ertragen, glaube ich.«
Riley schloss die Augen und stärkte sich mit einem tiefen Atemzug. »Wie viele Jahre ist es her, dass Sie zum letzten Mal hier gewesen sind?«
»In dem Jahr, als Sheldon aufs College gegangen ist, haben wir zum letzten Mal hier Urlaub gemacht. Wann war das?« Mrs Rutledge schaute zu der weiß gestrichenen Holzdecke auf, als könne sie dort die Antwort lesen. »Wohl vor dreizehn Jahren. Wir fanden seine Entscheidung, nach dem College zur Air Force zu gehen, wunderbar. Es war so eine großartige Möglichkeit. Wer konnte denn wissen ...«
Riley griff nach Mrs Rutledges Hand und drückte sie. »Das tut mir so leid. Wir haben Sheldon alle sehr gern gehabt.«
»Danke, das weiß ich.«
Rileys Mut schlug in Angst um. Sie befürchtete, dass sie einfach nicht in der Lage war, die Wahrheit auszusprechen.
»Wenn wir nur ...« Mrs Rutledge schaute ihr in die Augen. »Wenn Gott uns noch weitere Kinder geschenkt hätte, wäre dieser Schmerz vielleicht leichter zu ertragen.« Sie zuckte die Achseln und wischte sich mit dem Geschirrtuch über die Augen. »Oder vielleicht auch nicht. Man kann so etwas nie wissen, oder?«
»Nein.«
Mit einer zusammengerollten Zeitung unter dem Arm betrat Mr Rutledge die Küche. Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Ach, sieh mal einer an, wer ist denn da?«
Riley stand auf.
Er umarmte sie und klopfte ihr mit seiner breiten Hand auf den Rücken. »Wie geht's Ihnen denn, Riley?«
»Mir geht's gut, danke.«
»Das war ja wirklich ein rauschendes Fest gestern Abend. Es war so schön für uns, alte Freunde wiederzusehen. Und Ihr Sohn ist ein Schatz. Und so witzig. Ich habe es richtig genossen, mich mit ihm zu unterhalten.«
»Sie haben gestern Abend mit Brayden gesprochen?«
»Ja. Als es uns im Buchladen zu voll wurde, sind wir eine Weile ins Zelt gegangen. Er hat mir alles über seine geheimen Fischgründe erzählt. Ich hab ihm natürlich nicht verraten, dass ich sie längst kenne.« Mr Rutledge zwinkerte.
»Er ist ein leidenschaftlicher Angler.« Riley wusste nicht, wohin mit den Händen.
»Ich erinnere mich an ein Mädchen, das ganz besessen davon war, jedes Jahr die beste Stelle zum Angeln zu finden. Wenn dieses Mädchen mal in einem Sommer das
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