Unser Sommer in Georgia
dem Kanu versteckt, das neben dem Beach Club lag, und einander ihre Geheimnisse zugeflüstert. In den schönen alten Zeiten wären sie auf Zehenspitzen durch den Flur geschlichen, hätten sich unter Maisys Decke verkrochen und einander von den Jungs erzählt, die versucht hatten, sie zu küssen.
Bei diesen Erinnerungen traten Riley die Tränen in die Augen. Sie verstand, warum Maisy die Stadt verlassen hatte, warum sie ihre ältere Schwester hasste. Warum Maisy sich jedoch nie weiter um Mack bemüht hatte, ihm nie eine Liebeserklärung gemacht hatte, blieb Riley ein Rätsel.
Als Riley den Wagen in die Auffahrt steuerte, berührte Brayden sie an der Schulter. »Fehlt dir was, Mummy?«
Sie lächelte ihn an. »Ich fühle mich nicht richtig wohl. Ich will mich ein Weilchen hinlegen. Du kannst ja mit Tommy von nebenan spielen oder Oma Gesellschaft leisten.«
»Okay!« Brayden sprang vom Beifahrersitz und verschwand auch schon durch die Hecke auf das Nachbargrundstück, wobei er laut Tommys Namen rief.
Der Motor brummte im Leerlauf, und Riley lehnte den Kopf an die Kopfstütze. Ins Haus zu gehen, mit ihrer Mutter zu sprechen und sich in ihr Zimmer zurückzuziehen erschien ihr als ungeheuer große Aufgabe. Sie wollte einfach nur die Augen schließen. Der Wagen war von der Sonne aufgeheizt, und in dieser Wärme fielen ihr die Lider wie von selbst zu. Sie überließ sich dem Trost der Träume.
Ein lautes Wummern ließ Riley hochschrecken. Während sie die Augen öffnete, wurde ihr klar, dass sie bei laufendem Motor eingeschlafen war. Mit gerunzelter Stirn stand Adalee neben dem Auto. Riley stellte den Motor ab, öffnete die Tür und stieg aus. »Hallo, Adalee!«
»Fehlt dir was?«
»Nein, nein, ich kann's selbst nicht glauben, aber ich muss wohl eingenickt sein.«
»Ich wollte gerade rüber in den Laden. Ich hatte gehofft, du könntest mich fahren.« Adalee schaute zum Haus zurück. »Wenn Mama denkt, ich wäre gefahren, dreht sie durch. Sie ist noch nie so sauer auf mich gewesen wie jetzt wegen dieser Geschichte.«
»Ach, Adalee! Ich komme gerade aus dem Laden. Kann Maisy dich nicht abholen?«
»Nein, sie arbeitet an ...« Adalee unterbrach sich. »Lass nur! Ich bitte Harriet, mich hinzubringen.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte ins Haus zurück.
Riley streckte sich und hob das Gesicht in die Sonne. Sie wollte die Wärme in sich aufnehmen, als könne sie die Trauer und die Reue fortspülen.
Sie schlüpfte durch die Hintertür ins Haus, lief geradewegs in ihr altes Kinderzimmer, verkroch sich ins Bett und schlief sofort ein.
Neunzehn
Maisy
Maisy war von einem ungeheuren Bedürfnis erfüllt, etwas Schönes zu schaffen. Sie verstand es, sich dieses Bedürfnis zunutze zu machen. Am besten gelang ihr die Arbeit in den Zeiten, in denen sie von erfüllter Liebe träumte und es schien, als könnten ihre Träume dieses Mal wahr werden. Die ersehnte Erfüllung spiegelte sich dann in ihrer kreativen Arbeit. Sobald die Kochbuch-Damen nach Hause gegangen waren, würde sie wieder im Lagerraum verschwinden und sich weiter dem Projekt widmen, das sie mit Adalee begonnen hatte. Im Moment saß sie noch im Café und plauderte mit den Clubmitgliedern über das heutige Gericht - Shrimps mit Maisgrütze, das typische Frühstück der Fischer im Lowcountry, aus dem Kochbuch von Nathalie Dupree.
Wo normalerweise die Cafétische standen, hatten sie Stühle aufgereiht, die alle besetzt waren. Auf Metallständern waren Kochbücher ausgestellt. Der Duft von Knoblauch, Shrimps und einem Gewürz, das Maisy nicht benennen konnte, zog durch den Raum. Die Clubfrauen hatten klassische Musik aufgelegt, die eine friedliche Atmosphäre schuf.
Anfangs hatte Maisy hinter der Theke gestanden. Der Club hatte gekocht, und Sharon Martin, die Leiterin, hatte dem Publikum die Abläufe erklärt. Als alle ihre Portion erhalten hatten und Ethel die verkauften Kochbücher registriert hatte, nahm Maisy auf einem Barhocker Platz. »Das haben Sie wirklich fantastisch gemacht«, sagte sie. »Ich glaube, selbst ich könnte dieses Gericht jetzt kochen.«
Sharon stellte einen Teller vor Maisy hin und tat ihr eine Kelle dampfende Shrimps mit Maisgrütze auf. »Das ist für Sie«, erklärte sie.
»Danke.« Maisy futterte los. »Köstlich!« Das Gespräch wandte sich nun anderen Themen zu: Kindern, die aufs College gingen und nicht zu Besuch kamen; Enkeln, die betreut werden mussten; Ehemännern, die ihre Arbeit oder die Freude an der Sexualität
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