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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Kopf meditierend nach hinten gelegt. Er hielt eine grüne Plastikgranate in der Hand, den kleinen Finger in der Schlaufe. Offenbar der einzige Finger, der da reinpaßte. Ich hörte einen zweiten Pfiff, diesmal nur einen Ton. Ich sah nach links und rechts in die Bäume, dann den Weg entlang, bemerkte aber nichts. Magomed antwortete mit einem Pfiff, zwei Töne. Noch immer rührte sich niemand. Ich drehte mich wieder zu Magomed um und erblickte im Fenster neben ihm das stoppelbärtige Gesicht von Issa, der zu uns hereinspähte.
    * **
    Ein Mann blieb beim Lastwagen, und als wir anderen aufbrachen, hörte ich, wie der Lastwagen losfuhr, und sah auf dem Weg hinter ihm den Schnee aufstieben. Issa ging voran, Magomed neben ihm, sie schritten dahin wie zwei Jäger und sicherten mit ihren Kalaschnikows jeweils ihre Seite des Wegs. Der Hagere und die zwei jungen Männer bildeten die Nachhut. Magomed hatte mir Kapokfäustlinge und Überschuhe gegeben, mit denen ich einigermaßen durch den Schnee vorankam. Unser Trupp stieg einen steilen Abhang hinunter. Die Bäume verschränkten sich über uns zu einem dichten Gewölbe, durch das blasse Fetzen des Himmels zu sehen waren. Der Schnee wich Moos und Unterholz. Wir kamen an Müllhalden und alten Reifen und dann an geschnitzten Plastiken von Hirschen und Eichhörnchen vorbei auf eine Lichtung; dort standen Tische und Bänke und am hinteren Rand eine Reihe Holzhütten. Wir waren in einem verlassenen Sommerlager. In der Mitte stand ein alter gemauerter Schuppen. An der Tür ein Vorhängeschloß und die mit einer Schablone in Militärfarbe gepinselte Aufschrift CLUB .
    Issa ging voraus. Magomed stand unter einem Baum und gebot uns anderen mit erhobener Hand zu bleiben, wo wir waren. Ich blickte nach oben und sah über uns auf dem Hang drei Wachtposten. Issa klopfte ein verabredetes Zeichen an die Tür, dann ein zweites. Die Tür ging auf. Issa nickte in Magomeds Richtung, und dieser winkte mich genau in dem Moment neben sich, als der Hagere mir einen wenig freundlichen Stoß versetzte.
    Magomed trat zurück und schob mich vor sich her. Ich trat in die Hütte und sah am hinteren Ende des Raums einen Mann allein auf einer provisorischen Bühne sitzen, den dunklen Kopf hatte er verzweifelt in den Händen begraben. Ein zerfetztes Bühnenbild zeigte heldenhafte Landarbeiter, die sich mit Schaufeln den Weg zum Sieg gruben. Die Tür schloß sich hinter mir, und bei dem Geräusch hob der Mann den Kopf, als sei er aus tiefem Schlaf erwacht, drehte sich um und starrte mich an. Und in dem Licht, das durch die zugeschneiten Fenster fiel, erkannte ich die verhärmten bärtigen Züge von Konstantin Abramowitsch Tschetschejew; er sah zehn Jahre älter aus als auf dem letzten heimlich von ihm gemachten Foto.

15
    »Sie sind Cranmer«, sagte er. »Larrys Freund. Sein anderer Freund. Tim, sein großer britischer Spionagemeister. Sein bürgerliches Schicksal.« Seine Stimme war vor Erschöpfung wie betäubt. Er strich sich mit der Hand übers Kinn, was mich an die Muriden erinnerte. »Ja, Larry hat mir alles über Sie erzählt. Erst vor wenigen Monaten, in Bath. ›TT, sitzen Sie gut? Nehmen Sie lieber einen großen Schluck Scotch, ich muß Ihnen etwas beichten.‹ Ich war erstaunt, daß er überhaupt noch etwas zu beichten hatte. Kennen Sie dieses Gefühl?«
    »Nur zu gut.«
    »Und dann hat er gebeichtet. Ich war schockiert. Natürlich idiotisch von mir. Warum hätte ich schockiert sein sollen? Bloß weil ich mein Land verriet, mußte er doch nicht seins auch verraten? Also trank ich noch etwas Whisky und war nicht mehr schockiert. Guter Whisky. Glen Grant von Berry Brothers & Rudd. Sehr alt. Dann habe ich gelacht. Und ich lache immer noch.«
    Aber das war weder seinem verwüsteten Gesicht noch seiner tonlosen Stimme anzumerken, und ich hatte überhaupt noch nie einen Mann gesehen, der von Erschöpfung und, wie ich es deutete, Selbsthaß dermaßen zerfressen war.
    »Wer ist Bairstow?« fragte er.
    »Ein Deckname.«
    »Woher hat er seinen Paß?«
    »Den habe ich gestohlen.«
    »Wem?«
    »Meiner ehemaligen Dienststelle. Für eine Operation, die einige Jahre zurückliegt. Ich habe ihn mir für meine alten Tage aufbewahrt.«
    »Warum?«
    »Als Versicherungspolice.«
    »Gegen was?«
    »Gegen Unglücksfälle. Wo ist Larry? Wann kann ich ihn sehen?«
    Wieder fuhr er sich mit der Hand übers Kinn, diesmal in einer schroffen, ungläubigen Geste.
    »Wollen Sie mir ernsthaft erzählen, daß Sie aus privaten Gründen

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