Unser Spiel
hierhergekommen sind?«
»Ja.«
»Niemand hat Sie geschickt? Niemand hat gesagt: Wenn Sie uns Pettifers Kopf bringen, bekommen Sie eine Belohnung? Wenn Sie uns die Köpfe von beiden bringen, bekommen Sie doppelte Belohnung? Sie sind wirklich allein hier, Sie suchen nur Ihren Freund und Spion?«
»Ja.«
»Larry würde sagen: Scheiße. Also sage ich es auch. Scheiße. In meinem Land wird nicht viel geflucht. Wir nehmen Beleidigungen zu ernst, da ist Fluchen ziemlich riskant. Aber trotzdem Scheiße. Scheiße und noch mal Scheiße.«
Eine einsame Gestalt, saß er, einen Fuß vorgestellt, auf der Bühne an einem Tisch und starrte an mir vorbei auf die Arbeiter an der Wand. Auf dem Tisch stand eine brennende Kerze. Auf dem Boden waren noch mehr brennende Kerzen verteilt. Irgendwo bewegte sich ein Schatten, und ich erkannte, daß wir nicht allein waren.
»Wie geht es dem großen edlen Oberst Zorin?« fragte er.
»Gut. Er läßt Sie grüßen. Er sagt, Sie möchten eine öffentliche Erklärung abgeben, daß Sie das Geld für Ihre Sache gestohlen haben.«
»Vielleicht haben beide Sie geschickt. Die Briten und die Russen. Im großen neuen Geist der Entente.«
»Nein.«
»Vielleicht hat die einzige Supermacht der Welt Sie geschickt. Das gefällt mir. Amerika, der große Polizist: Diebe bestrafen, Rebellen niederwerfen, Ordnung und Frieden wiederherstellen. Es gibt keinen Krieg, aber beim Kampf um den Frieden bleibt kein Stein auf dem anderen. Erinnern Sie sich an diesen überaus komischen Witz aus dem Kalten Krieg?«
Ich erinnerte mich nicht, sagte aber ja.
»Die Russen bitten den Westen um Geld zur Sicherung des Friedens. Haben Sie diesen Witz auch gehört?«
»Ich glaube, ich habe mal so etwas gelesen.«
»Das ist so. Ein Witz aus dem wahren Leben. Und der Westen gibt ihnen das Geld. Das ist ein noch viel besserer Witz. Um den Frieden in der ehemaligen Sowjetunion zu sichern. Der Westen liefert das Geld, Moskau liefert die Truppen und die ethnische Säuberung. Die Friedhöfe sind voller Frieden, alle sind glücklich. Wieviel bezahlen die Ihnen?«
»Wer?«
»Wer auch immer Sie geschickt hat.«
»Niemand hat mich geschickt. Also bezahlt mich auch niemand.«
»Sie sind also Freischaffender. Ein Kopfgeldjäger im Geiste des freien Unternehmertums. Sie vertreten hier die Kräfte des Marktes. Wieviel sind wir denn, Larry und Tschetschejew, auf dem freien Markt wert? Haben Sie einen Vertrag? Hat Ihr Anwalt die Sache ausgehandelt?«
»Niemand bezahlt mich, niemand hat mich geschickt. Ich nehme von niemandem Befehle entgegen, ich liefere niemandem Berichte. Ich bin aus eigenem Antrieb hierhergekommen, um Larry zu finden. Ich habe nicht die Absicht, Sie zu verkaufen. Selbst wenn ich es könnte. Ich handele nur für mich.«
Er zog einen Flakon aus der Tasche und nahm einen Schluck. Das Silber war angelaufen und verbeult, im übrigen aber war es genau so ein Flakon wie der, den Zorin mir geschenkt hatte, mit denselben grellroten Insignien seines ehemaligen Dienstes.
»Ich hasse meinen Namen. Meinen schmutzigen, blutbefleckten Namen. Wenn man ihn mir mit einem glühenden Eisen eingebrannt hätte, könnte er mir nicht verhaßter sein.«
»Warum?«
»›He, Schwar zarsch, wie findest du Tschetschejew?‹ ›Kein Problem‹, sage ich. ›Das ist ein schöner Name. Ein Schwarzarschname, aber nicht allzu schwarz. Klingt doch nicht übel.‹ Jeder andere Ingusche, den Sie ins Gesicht hinein Schwarzarsch nennen, bringt Sie um. Aber ich? Ich mache Zugeständnisse, ich reiße Witze. Ich bin ihr weißer Nigger. Ich komme ihnen mit den Beleidigungen zuvor. ›Und was ist mit Konstantin?‹ fragen sie. ›Kein Problem‹, sage ich. ›Großer Kaiser, großer Liebhaber.‹ Richtig Spaß bekamen sie erst bei meinem Vatersnamen. ›He, Schwarzarsch, vielleicht sollten wir dich ein bißchen zu einem Juden machen‹, sagen sie, ›um die anderen in die Irre zu führen. Abraham hatte viele Söhne. Einer mehr wird ihm gar nicht auffallen.‹ Ich bin also ein Schwarzarsch, ich bin ein Jude, und ich lache immer noch.«
Aber jetzt lachte er nicht. Er wa r wild verzweifelt.
» Was tun Sie, wenn Sie ihn finden?« fragte er und wischte den Hals des Flakons am Ärmel ab.
»Ich sage ihm, daß sein Weg in die Katastrophe führt und daß er seine Freundin mit da hineingerissen hat. Ich sage ihm, daß in England bereits drei Menschen ermordet wurden –«
Er unterbrach mich. »Drei? Bereits drei? Eine Katastrophe? Erinnern Sie sich noch an
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