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Unser Spiel

Unser Spiel

Titel: Unser Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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erst einmal essen. Eier, Speck und gebratenes Brot, sein Lieblingsgericht. Nichts macht ihn dick. Die Eier von Freilandhühnern und auf beiden Seiten gebraten, wie er’s am liebsten hat. Englischer Frühstückstee von Fortnum & Mason, mit dem Hexensabbat eingeflogen. Vollmilch und Kristallzucker. Vollkornbrot. Jede Menge gesalzene Butter. Mrs. Bathurst, unsere hier wohnende Haushälterin, kennt sich, genau wie ich, mit all den kleinen Eigenheiten von Mr. Larry gut aus. Das Essen hat ihn besänftigt. Wie immer. In dem langen braunen mottenzerfressenen Morgenrock, den er überallhin mitnimmt, ist er wieder mein Freund geworden.
    »Was gibt’s denn?« antworte ich.
    »Kennen wir jemand, der mit Geld zu tun hat?« fragt er mit vollem Mund. Wir sind an seinem Ziel angelangt. Da ich natürlich nichts davon weiß, fertige ich ihn untypisch kurz ab. Vielleicht kommt es daher, daß er mir am Ende des Kalten Krieges mehr auf die Nerven geht, als ich mir eingestehen will.
    »Na schön, Larry, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt? Es ist erst ein paar Wochen her, daß wir dir aus der Patsche geholfen haben.«
    Er lacht auf, zu herzlich für meinen Geschmack. »Laß den Quatsch, Dummkopf. Es geht nicht um mich . Sondern um einen Freund von mir. Ich brauche einen blutsaugerischen faschistischen Banker. Kennen wir da jemand?«
    Also fangen wir an. Von Geld. Dieser Freund von mir an der Universität Hull, erklärt er freundlich, während er sich Marmelade aufs Brot streicht. Du kennst ihn nicht, fügt er hinzu, bevor ich nach seinem Namen fragen kann. Das arme Schwein hat einen Haufen Geld geerbt, sagt er. Einen Riesenhaufen. Aus heiterem Himmel. Ähnlich wie du, Timbo, als deine Tante Dingsda ins Gras gebissen hat. Jetzt braucht er Hilfe. Steuerberater, Anwälte, Treuhänder und diesen ganzen Schrott. Einen Profi, im Ausland, ausgebufft, kennen wir da jemand? Sag schon, Timbo, du kennst doch jeden.
    Also denke ich für ihn nach, konzentriere mich aber vornehmlich darauf, herauszufinden, warum er ausgerechnet jetzt etwas so Nebensächliches wie die Geldsorgen seines Freundes in Hull besprechen muß.
    Und zufälligerweise habe ich erst vor zwei Tagen in meiner Eigenschaft als ehrenamtlicher Kurator einer wohltätigen Einrichtung, der Charles Lavender Stadt- und Land-Stiftung für Wales, genau neben einem solchen Banker gesessen.
    »Na ja, ich denke zum Beispiel an den großartigen, ehrenwerten Jamie Pringle«, schlage ich vorsichtig vor. »Man kann ihn nicht gerade ausgebufft nennen, aber ein Profi ist er auf alle Fälle, wie er dir selbst sofort versichern wird.«
    Pringle war zur gleichen Zeit wie wir in Oxford gewesen, ein Rugby spielender Sprößling aus der von Larry verabscheuten höheren Gesellschaft.
    »Jamie ist ein Hornochse«, erklärt Larry und schüttet seinen englischen Frühstückstee hinunter. »Wo steckt der jetzt überhaupt? Falls mein Freund Interesse haben sollte?«
    Aber Larry lügt.
    Wieso ich das weiß? Ich weiß es. Um seine Tricks zu durchschauen, braucht man nicht den depressiv verbitterten Blick der Zeit nach dem Kalten Krieg. Wenn man einen Mann zwanzig Jahre lang geführt hat, ihn in Täuschung geschult und damit durchtränkt hat, wenn man ihn zur Tücke verführt und ausgebildet hat, wenn man ihn losgeschickt hat, um mit dem Feind ins Bett zu steigen, und sich die Nägel abgekaut hat, bis er endlich wieder zurück war; wenn man Phasen von Liebe und Haß, seine Anfälle von Verzweiflung und mutwilliger Boshaftigkeit und sein ewiges Gelangweiltsein mit ihm durchgestanden hat und mit ganzem Herzen darum gekämpft hat, zwischen seiner Schauspielerei und der Realität unterscheiden zu lernen, dann gibt es nur eins: entweder kennt man sein Gesicht, oder man weiß gar nichts, und ich kannte Larrys Gesicht wie die Landkarte meiner eigenen Seele. Wäre ich Künstler, könnte ich es Ihnen zeichnen: jede Reaktion seiner Züge, jedes Zucken einer jeder verräterischen Falte, und auch die Stellen, wo nichts passiert und fromme Ruhe eintritt, wenn er Lügen erzählt. Über Frauen, über sich selbst. Oder über Geld.
    * **
    Cranmers knappe Notiz, gerichtet an ihn selbst, undatiert:
    Jamie Pringle fragen , was LP vorhat .
    Aber da Merrimans Schwert drohend über uns hing und LP mir ungewohnt heftig an den Nerven zerrte, muß Cranmer anderes zu tun gehabt haben.
    ***
    Und so ist es erst wenige Monate her – wir sitzen zu dritt, zwei freie Männer und Emma, bei unserem zigsten Sonntagslunch in Honeybrook,

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