Unsere feuerrote Hexe
Nele“, ich nehme ihn wieder auf meinen Arm und gehe mit ihm gemeinsam in das Zimmer meiner Tochter.
Sie schläft noch nicht, auch sie hat ganz verweinte Augen. Mit Ben zusammen setze ich mich auf ihr Bett.
„Nele, Ben hat keine Schuld, dass Heather weg ist. Wie kommst du darauf?“, frage ich sie sanft.
„Opa hat das gesagt. Opa hat gesagt, dass Ben was erzählt hat“, antwortet Nele.
„Ben schuld“, wiederholt mein kleiner Sohn nur leise.
„Nein, Ben ist nicht schuld. Heather und ich haben einen Fehler gemacht, wir… wir…“, ich fahre mir mit meiner freien Hand durch die Haare. „Wir haben zusammen in einem Bett geschlafen, das hätten wir nicht machen dürfen. Ben hat uns zusammen gesehen und das erzählt, aber Ben konnte nicht wissen, dass Heather und ich was gemacht haben, was total blöd war. Ben hat keine Schuld. Wenn einer schuld hat, dann waren das Heather und ich, okay?“
„Okay“, sagt Nele leise, Ben nickt nur. Man kann ihm ansehen, dass er nichts verstanden hat, wie auch? Ich weiß aber auch nicht, wie ich das weiter erklären soll.
„Keiner von euch hat schuld“, wiederhole ich noch einmal eindringlich. Ich gebe Nele noch ein Küsschen und gehe dann mit Ben auf dem Arm aus dem Zimmer.
Ich bleibe noch eine Weile an seinem Bettchen sitzen, er wirkt richtig erschöpft, der ganze Tag hat dem kleinen Kerl doch sehr zugesetzt. Heathers Shirt hält er fest an sich gepresst, Hennes scheint abgeschrieben zu sein.
Ich streichele über seine dunklen Haare, Bens Augen fallen so langsam zu. Vorsichtig beuge ich mich über ihn und gebe ihm einen Kuss, und ich kann der Versuchung nicht widerstehen und atme ebenso den Duft von Heathers Shirt in mich ein. Er ist für einen Moment so vertraut, mir wird ganz warm und ein Lächeln huscht über mein Gesicht.
Dann verlasse ich leise das Zimmer.
Unten höre ich Jessica immer noch mit ihren Eltern reden, sie scheinen gerade im Aufbruch begriffen zu sein.
Ich lege mich schon einmal ins Bett, mache mich auf die nächste Runde Vorwürfe gefasst, an Schlaf ist jedenfalls nicht zu denken. Aber nicht Jessica macht mir zu schaffen, sondern die Sehnsucht nach Heather und die Tränen der Kinder.
Jessica macht keine Anstalten, noch einmal mit mir zu reden. Ich hatte fast schon erwartet, dass sie mich aus dem Schlafzimmer verweist, aber nichts von dem passiert. Sie legt sich neben mich, auch sie findet zunächst keine Ruhe, doch irgendwann müssen wir beide wohl eingeschlafen sein.
Am nächsten Morgen finde ich Ben in Heathers Zimmer. Obwohl das Bett längst abgezogen ist, hat er sich tief mit ihrem T-Shirt ins Kissen gekuschelt.
16
Ich mache mich daran, Frühstück vorzubereiten, von Jessica ist noch nichts zu sehen. Und ich kann auch nicht gerade sagen, dass ich besonders scharf darauf bin, ihr über den Weg zu laufen.
Irgendwie hab ich das Gefühl, Heather würde jeden Moment um die Ecke kommen und mir zulächeln. Ich vermisse sie, ich vermisse sie so unglaublich.
Ich hätte nie geglaubt, dass es so etwas geben kann. Immer wieder beschwöre ich sie innerlich, zurück zu kommen, auch wenn das eigentlich nicht möglich ist. Jessicas Forderungen an sie waren eindeutig und es würde auch nicht leichter für Nele und Ben werden, wenn sie mitbekommen würden, wie Jessica zu Heather steht.
Vielleicht ist dieser harte Schnitt für die Kinder wirklich besser – dann schüttele ich aber den Kopf. Nein, wirklich besser wäre nur eines: Wenn Heather wieder da wäre.
Die Kinder kommen die Treppe hinunter, beide noch in Schlafanzügen. Ich drücke sie sofort fest an mich, doch die Zwei sind sehr still, das gewohnt fröhliche Geplapper bleibt aus.
Jessica erscheint kurze Zeit später, sie gibt den beiden ein Küsschen, das sie brav erwidern, aber die Stimmung ist eisig.
„Soll ich die Kinder zur Schule und zum Kindergarten bringen?“, frage ich Jessica dann nach einer Weile des Schweigens.
„Ich mach das schon“, antwortet sie zu meiner Überraschung.
„Okay“, ich schaue sie fragend an, bin aber dann auch froh darüber. Vielleicht wird sich doch etwas ändern, vielleicht merkt Jessica ja, wie traurig die Kinder sind und gibt sich jetzt etwas mehr Mühe?
Es wäre Nele und Ben jedenfalls zu wünschen.
Als ich im Büro ankomme, reicht Diana mir fragend den geänderten Terminkalender.
„Es gab zuhause Probleme“, erkläre ich ihr nur. Dann schnappe ich mir zwei Tassen Kaffee und gehe zu Werner. Ich bin ihm was schuldig, weil er gestern für
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