Unsere feuerrote Hexe
leer.
„Heather? Ich hab die Karnevalskostüme zur Anprobe mit!“, rufe ich laut, zu meinem Entsetzen höre ich ein leises Schluchzen.
Ich lasse erschrocken alles fallen und renne schnell ins Wohnzimmer, doch dort ist sie nicht, dann stürme ich zur Treppe, als ich ihre Stimme höre.
„Ich bin hier“, kommt es weinerlich.
Ich fahre herum und entdecke sie auf dem Boden hinter dem Sofa sitzen.
„Was machst du da?“, frage ich erschrocken und ziehe sie in meine Arme. Ihr Gesicht ist total verquollen und die Augen sind gerötet und geschwollen. „Darling, was ist denn bloß los?“
„Lilly“, Heather schluchzt wieder laut auf , sie zittert am ganzen Körper. Ich ziehe sie fest in meine Arme.
„Was ist denn mit Lilly?“, hake ich behutsam nach.
„Sie… sie… ist… ist… heute Morgen zusammengebrochen… Robert… Robert hat sie gefunden…“, kommt es stockend und ihr Körper bebt richtig. „Er… er… hat sie in ein Krankenhaus gebracht… sie… sie… haben gesagt, sie hat einen Hirntumor“, Heather weint laut los und ich bin starr vor Entsetzen.
„Was?“, frage ich heiser nach. „Aber so was kann man doch behandeln, Schatz“, versuche ich Heather zu trösten. Das Gespräch mit ihr vor zwei Wochen kommt mir wieder in den Sinn, damals war sie gerade von Imbolc –Fest zurückgekehrt und hat mir von ihrer Besorgnis wegen Lilly erzählt.
„Nein… kann… kann… man nicht“, Heather löst sich von mir und schaut mir direkt in die Augen. Ich kann ihre Verzweiflung deutlich darin sehen. „Es ist ein sehr aggressiver Tumor und man kann nicht operieren. Sie sagen, sie hat noch zwei, im Höchstfall drei Monate zu leben.“
Mein Magen fühlt sich an, als hätte jemand hineingetreten. „Das… das kann nicht sein“, stammele ich, vor lauter Entsetzen bringe ich nichts anderes hervor.
„Ich konnte es auch kaum glauben, aber ich denke nicht, dass Robert damit einen Spaß gemacht hat .“
„Aber man muss doch etwas machen können“, widerspreche ich. Ich will das nicht fassen, das ist einfach zu schrecklich. Auch wenn ich Lilly noch nicht lange kenne, sie ist ein wahnsinnig liebenswerter Mensch – wie alle Ó Briains eben.
„Soll ich mich mal umhören, wie es hier in der Uni-Klinik aussieht?“
„Das ist lieb, Alexander“, Heather legt eine Hand an meine Wange und schaut mich traurig an. „Aber in Dublin gibt es auch Spezialisten.“
„Das… das… darf aber nicht sein“, ich schlucke gegen einen Kloß im Hals an. Sofort habe ich das Bild von Lilly, Robert und den beiden kleinen Mädchen Mary und Katie im Kopf, die beide noch so klein sind, Katie ist ja gerade mal zwei Jahre alt.
Heathers Weinen lenkt mich ab und ich führe sie zum Sofa und drücke sie in die Kissen.
Sie vergräbt ihr Gesicht tief in dem weichen Stoff, während ich für sie und mich erstmal einen Whiskey einschenke.
„Danke“, heiser nimmt sie das Glas entgegen, ich setze mich zu ihr aufs Sofa.
„Gibt es denn wirklich keine Chance mehr?“, frage ich verzweifelt. Mir will das einfach nicht in den Kopf, es ist grausam, ungerecht. Wer ist dafür verantwortlich, dass so etwas passieren muss?
„Laut Robert gibt es keine Möglichkeit mehr. Aber immerhin hat er Lilly dazu überredet, mit ihm nach London zu fliegen. Dort wird sie in einer großen Klinik noch einmal untersucht, um eine zweite Meinung einzuholen. Doch die Chancen, dass etwas anderes dabei herauskommt, sind wohl schlecht“, berichtet Heather weiter, dann schaut sie mich aus ihren rotgeweinten Augen an. „Warum?“
„Ich weiß es nicht…“
„Ich habe Lilly doch so lieb… wir alle…“
„Ich weiß, mein Schatz. Mir geht es genauso…“, nachdenklich streichele ich durch ihre roten Locken. „Was… also… kann Hannah da nichts machen?“
Heather sieht mich traurig an. „Das ist eine Nummer zu groß, Alexander.“
Erst jetzt fällt mir auf, dass Nele und Ben sich noch gar nicht haben blicken lassen.
„Wo sind die Kinder?“
„Bei Petra. Als der Anruf von Robert kam, war sie gerade hier und hat deine Hemden vorbeigebracht. Sie hat dann Nele und Ben mitgenommen“, Heather sieht auf ihre Uhr. „Sie kommen in einer Stunde wieder.“
„Okay“, ich schicke innerlich einen Dank zu Petra. Eigentlich bräuchten wir sie nicht mehr, Heather erledigt den Haushalt und mehrfach versichert, dass es ihr nichts ausmachen würde. Doch ich möchte, dass sie soviel Zeit wie möglich mit den Kindern verbringt, und so sind wir
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