Unsere feuerrote Hexe
mache kein Licht an und öffne die Kühlschranktür, als ich einen Schatten am Küchenfenster sehe. Erschrocken weiche ich ein paar Schritte zurück, doch die kleine zierliche Gestalt kann eigentlich nur Lilly sein.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagt sie dann mit leiser Stimme.
„Kannst du nicht schlafen?“
„Nein und ich muss te auch eine Tablette nehmen“, antwortet sie. Im schwachen Schein einer Straßenlaterne kann ich nur ihre Umrisse erkennen, ich nehme mir ein Glas Wasser und gehe zu ihr hin.
„Hast du Schmerzen?“, ich schaue in ihr Gesicht, sehe, dass es tränennass ist und sofort habe ich einen Kloß im Hals.
„Manchmal, immer häufiger“, antwortet sie und das erste Mal, seit sie hier in Köln ist, wirkt sie wirklich verzweifelt. „Ich habe Angst, Alexander“, flüstert sie dann weinend.
Ich stelle mein Glas weg und ziehe sie fest in meine Arme. „Das glaube ich. Aber du bist so unglaublich tapfer, Lilly. Es wird alles für dich getan, dass es dir so gut wie möglich geht…“, ich streichele durch ihre Locken und sie klammert sich wie hilfesuchend an mich.
„Ich bin nicht tapfer, ganz im Gegenteil. Ich hab mir nie träumen lassen, dass ich nicht älter werden würde als siebenundzwanzig. Und ich wollte doch immer auf meine Enkelkinder aufpassen. Und jetzt kann ich meine eigenen noch nicht einmal groß werden sehen“, Lilly ringt um Fassung, doch den Kampf verliert sie immer mehr.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, was für Worte soll man auch finden?
Alles was ich für sie tun kann, ist, sie so fest wie möglich zu halten.
Lilly krallt sich an mir fest, immer wieder schüttelt ein Weinkrampf ihren zierlichen Körper.
Ich streichele über ihren Rücken, lasse sie weinen, bleibe einfach nur so mit ihr stehen. Es dauert eine ganze Weile, dann hat sie sich wieder ein bisschen beruhigt.
„Tut mir leid“, schnieft sie schließlich und löst sich von mir. „Ich… also… das ist mir sehr unangenehm…“
„Das muss es doch nicht“, sage ich sanft. „Jederzeit wieder.“
„Keine Sorge, das kommt nicht mehr oft vor“, sie grinst mich schief an.
„Komm, wir setzen uns ins Wohnzimmer“, ich nehme sie bei der Hand und drücke sie schließlich aufs Sofa. Dann hole ich eine Decke und sie kuschelt sich hinein.
„Ich habe begonnen, alles aufzuschreiben. Also, alles war mir einfällt und was ich den Kindern unbedingt sagen möchte. Ich habe das Robert auch gesagt, aber er will davon nichts hören, er blockt total ab. Alexander, ich habe vielleicht noch vier Wochen, ich hab den Arzt gebeten, Robert etwas Falsches zu sagen.“
„WAS?“, ich schaue sie entsetzt an und jetzt schießen mir die Tränen in die Augen. „Aber warum?“
„Er ist schon verzweifelt genug und er plant wie ein Weltmeister, was wir noch machen sollen. Wenn er wirklich wüsste, wie wenig Zeit noch bleibt, dann würden wir keine ruhige Minute mehr haben. Aber nach der Reise hier will ich nach Hause und dort bleiben. Hannah hat mir einiges gegeben, womit ich die Schmerzen noch zusätzlich bekämpfen kann. Ich hoffe, damit wird es so einigermaßen gehen“, sagt sie leise. „Versprichst du mir was?“
„Alles“, sage ich sofort.
„Achte auf Robert. Und wenn er zu sehr in Trauer versinkt, dann kümmere dich um ihn. Ich habe Jamie auch schon darum gebeten. Und er soll wieder heiraten. Er ist noch jung“, ihre Stimme bricht komplett weg, aber sie fängt sich schnell wieder.
„Auch wenn er es vielleicht nicht glauben will, es wird weitergehen.“
26
Wir bleiben die ganze Nacht auf und reden. Sie erzählt mir viel von Heather und ihrer Kindheit, wir sprechen über die Träume, die wir beide als Kinder hatten und können sogar ein paar Mal lachen.
„Im Grunde hab ich es doch gut getroffen. Ich hab zwei süße kleine Kinder und einen tollen Mann. Manche Leute leben achtzig oder neunzig Jahre und werden nicht richtig glücklich“, sagt Lilly dann nachdenklich.
Ich bin voller Bewunderung für diese kleine Frau, die, auch wenn sie es nicht wahrhaben will, so voller Stärke ist.
Als der Morgen graut, machen wir uns beide fertig und bereiten für alle das Frühstück vor.
Die kleine Katie ist die Erste, die wach wird. Lilly ist so fröhlich wie immer, als sie sich um ihre Tochter kümmert.
Als Heather hinunter kommt, sieht sie uns überrascht an. „Ihr beide seht aber ziemlich fertig aus“, stellt sie dann sachlich fest.
„Du bist aber charmant heute“, Lilly gibt ihrer
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