Unsichtbar und trotzdem da!, 5, Spur der Erpresser (German Edition)
nicht, auch nicht an so ungewöhnliche Kinder wie euch. Aber wenn ihr verrückt genug seid, dann findet ihr die Gräfin schon. Ihr wisst doch: Gleich und Gleich gesellt sich gern.“ Wieder lachte sie dunkel. „Ihr müsst nur den Brunnen der verlorenen Reinheit finden. Da, wo die alten Frauen nach den verlorenen Träumen schauen.“ Flüsternd fuhr sie fort: „Träume, Träume, wo ist eure Süße geblieben? Lottoschein, Lottoschein, bringst du meinem Freund seine Träume zurück?“
„Und wo ist dieser Brunnen?“, fragte Ağan.
Addi hielt ihn am Ärmel fest. „Hey, Ağan!“, wisperte er. „Die spinnt doch, die ist doch plemplem. Die verarscht uns!“
„Das glaube ich nicht“, wisperte Ağan zurück. „Sie spricht irgendwie wie ein trauriger Dschinn. Die reden immer in Rätseln. Das passt doch zu der seltsamen Gräfin, die wir suchen.“
Die große blonde Frau richtete sich auf und lächelte Ağan an. „Du hast recht, mein kleiner Geisterliebhaber. Und weil du klugbist, gebe ich dir noch einen Hinweis. Der verlorene Brunnen ist in der Straße, in der die Bäume durch Glas wachsen.“
Sie nahm ihren Lottoscheinstapel und trug ihn nach vorne zum Verkaufstresen. Dann warf sie ein dickes Bündel Geld auf den Tisch. „Und jetzt zieh ab, was du bekommst, mein Freund“, sagte sie zu Herrn Ergodan, während sie ihre Lederjacke zuzog. „Ich muss weiter. Ich bin noch verabredet! Es ist ein wunderschöner Sonntag.“
Die Unsichtbar-Affen standen vor dem Zeitungsladen und sahen der davoneilenden blonden Frau nach.
„Mann, was war das denn?“ Addi schüttelte den Kopf. „Die war ja echt irre!“
„Immerhin hat sie uns geholfen“, meinte Ağan.
„Der Brunnen der verlorenen Reinheit in der Straße, in der die Bäume durch Glas wachsen?! Klar, ist ja ganz einfach zu finden!“ Addi tippte sich an die Stirn. „Die steht doch bestimmt hinter der nächsten Ecke und lacht sich tot über uns.“
„Moment mal!“ Jenny sah Addi an. „Es klingt zwar verrückt, was diese Blonde gesagt hat. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie die seltsame Gräfin tatsächlich kennt.“
„Und Russin war sie auch!“, fügte Ağan hinzu.
„Aber es gibt keine Brunnen in Berlin“, rief Addi. „Es gibt fast nicht mal mehr die Wasserpumpen, an denen die Leute ihre Autos waschen können.“
„Trotzdem“, beharrte Ağan und blickte nach Norden. In den Hausfenstern rechts und links spiegelte sich die Sonne undtauchte die Uhlandstraße in ein warmes Licht. „Wir müssen eben fragen.“
„Und wen?“ Addi deutete auf den vollkommen verlassenen Bürgersteig. „Es ist Sonntagmorgen, da ist doch keiner unterwegs. Die pennen alle noch.“
„Nicht alle!“ Jenny zeigte zu einem Taxistand an der nächsten Ecke. Dort stand ein einziges einsames Taxi. Ein alter Kombi, hinter dessen Frontscheibe ein Taxifahrer zu sehen war, der den Kopf gesenkt hielt und in einem Buch las.
„Okay, Taxifahrer wissen alles! Das stimmt! Den fragen wir und dann werdet ihr ja wohl glauben, dass das der totale Schwachsinn war, was diese Lottotante uns da aufgetischt hat!“ Addi lief auf das Taxi zu, riss die Tür hinten rechts auf und rief: „Hallo!“
Der Fahrer drehte sich um. „Nicht so stürmisch“, brummte er. Dann weiteten sich seine Augen. „Nanu, bist du nicht ...“ Er sah auf die Straße und sein Blick fiel auf Jenny und Ağan, die in diesem Moment neben das Taxi traten. „Na klar! Der Freund von Rachids Sohn! Euch habe ich doch neulich hinter einem Auto herkutschiert. Ihr habt den Vater von dem Mädchen verfolgt. Ich bin Henry Hämpel, erinnert ihr euch denn nicht?“
„Doch, natürlich!“ Jenny lächelte den Mann an. „Und Sie erkennen uns auch wieder!“
„Na klar“, sagte der Fahrer, dem sein langes Haar ungekämmtum den Kopf hing. „Ich erkenne jeden Menschen wieder, den ich einmal gesehen habe.“ Er stieß ein Hüsteln aus, das wie eine Mischung aus Husten und gequältem Stöhnen klang. „Ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Ich vergesse überhaupt nie wieder, was ich einmal gesehen habe.“
„Und dann sind Sie nur Taxifahrer geworden?“, entschlüpfte es Addi.
Herr Hämpel warf Addi einen langen, etwas vorwurfsvollen Blick zu. „Mach unsere Kaste nicht schlecht, Jungchen. Aber ...“ Er zuckte die Schultern und seine Stimme klang etwas wütend, als er fortfuhr. „... du meinst sicher nur, warum ich mit meinen Fähigkeiten nichts mache, was mich reich werden lässt. Ganz einfach, Kerlchen! Meine
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