Unsichtbar
nötig, mich von Ihnen verkuppeln zu lassen. Das haben Sie schon einmal getan, wissen Sie noch?
Nun, falls Sie es sich anders überlegen, rufen Sie mich an. Es wäre mir ein Vergnügen, sie Ihnen vorzustellen.
Als Walker sich schon zum Gehen wendet, greift Born in die Brusttasche seines cremefarbenen Blazers und zieht eine Visitenkarte mit seiner Adresse und Telefonnummer hervor. Hier, sagt er und reicht Walker die Karte. Meine Koordinaten. Für alle Fälle.
Walker ist kurz versucht, die Karte zu zerreißen und die Fetzen auf den Boden zu werfen - so wie er im Frühjahr in New York den Scheck zerrissen hat -, entscheidet sich dann aber dagegen, weil er sich nicht mit einer so billigen und läppischen Beleidigung lächerlich machen will. Er schiebt die Karte in seine Tasche und verabschiedet sich. Born nickt, ohne ein Wort zu sagen. Als Walker geht, schießt die Sonne über den Himmel und explodiert in hunderttausend Splitter aus geschmolzenem Licht. Der Eiffelturm stürzt um. Sämtliche Gebäude in Paris brechen in Flammen aus. Ende des ersten Akts. Vorhang.
Er hat sich in eine unhaltbare Lage gebracht. Solange er von Borns Verbleib nichts wusste, konnte er mit der Ungewissheit einer zufälligen Begegnung leben und sich der Täuschung hingeben, er werde schon Glück haben, der gefürchtete Augenblick werde niemals eintreten oder erst spät, so spät, dass seine Zeit in Paris nicht durch die Angst vor einer weiteren Begegnung, vor weiteren Begegnungen getrübt werden würde. Nun aber ist es passiert, und früh, viel früher, als er für möglich gehalten hätte, und es ist ihm unerträglich, Borns Adresse in der Tasche zu haben und nicht zur Polizei gehen zu können, um seine Festnahme zu verlangen. Nichts würde ihn glücklicher machen, als den Mörder von Cedric Williams vor Gericht zu sehen. Selbst wenn er am Ende freigesprochen würde, hätte er die Kosten und die Demütigungen eines Prozesses zu tragen, und selbst wenn der Fall nie vor Gericht käme, würde er sich unangenehmen Verhören durch die Polizei und den Unbilden einer langwierigen Ermittlung stellen müssen. Aber wenn er Born nicht entführen und nach New York zurückschleifen will - was kann Walker tun? Er denkt den ganzen Tag lang und bis tief in die Nacht hinein darüber nach, und dann kommt ihm eine Idee, eine teuflische Idee, eine so grausame und hinterhältige Idee, dass ihn allein schon die Tatsache verblüfft, sich so etwas überhaupt vorstellen zu können. Das wird Born leider nicht ins Gefängnis bringen, aber es wird ihm das Leben extrem ungemütlich machen, und wenn Walker seinen Plan erfolgreich umsetzen kann, wird es Helene Juins künftigen Ehemann des Gegenstands berauben, den er auf dieser Welt am meisten begehrt. Walker ist gleichzeitig begeistert und angewidert von sich selbst. Er ist nie ein rachsüchtiger Mensch gewesen, hat nie aktiv jemandem schaden wollen, doch Born gehört in eine andere Kategorie, Born ist ein Mörder, Born hat Strafe verdient, und zum ersten Mal in seinem Leben giert Walker nach Blut.
Der Plan erfordert einen geübten Lügner, einen in der Kunst der Doppelzüngigkeit bewanderten Gesellschaftsakrobaten, und Walker ist weder das eine noch das andere und weiß, dass er der am wenigsten geeignete Mann für den Auftrag ist, den er sich selbst erteilt hat. Von Anfang an wird er gezwungen sein, gegen seine Natur zu handeln, immer wieder wird er auf dem Schlachtfeld, das er im Geiste entworfen hat, ausrutschen und zu Fall kommen und vergeblich sicheren Halt zu finden suchen, aber trotz seiner bösen Befürchtungen marschiert er am nächsten Morgen zum Cafe Conti, wirft wieder einmal einen Jeton in das Münztelefon und beginnt seinen Plan in die Tat umzusetzen. Er staunt selbst über seine Kühnheit, seine Entschlossenheit. Als Born beim dritten Läuten abnimmt, ist die Überraschung in seiner Stimme unüberhörbar.
Adam Walker, sagt er und gibt sich alle Mühe, seine Verblüffung zu kaschieren. Der letzte Mensch auf Erden, von dem zu hören ich erwartet habe.
Verzeihen Sie die Störung, sagt Walker. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich über unser gestriges Gespräch ernsthaft nachgedacht habe.
Interessant. Und wohin hat Ihr Nachdenken Sie geführt?
Ich bin entschlossen, das Kriegsbeil zu begraben.
Doppelt interessant. Gestern noch beschuldigen Sie mich des Mordes, und heute sind Sie bereit, alles zu vergeben und zu vergessen. Warum die plötzliche Kehrtwendung?
Weil Sie mich davon überzeugt haben, dass
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