Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
Hand greift nach meiner kalten. Er drückt meine Hand kurz, dann liegt sie schlaff da.
„Ich liebe dich“, haucht er und hebt seine Hand an, um mir über die Wange zu streichen. Auf halbem Weg verlässt ihn die Kraft und er lässt den Arm einfach fallen. Kurz bevor ihm durch den Aufprall wieder eine Schmerzenswelle durchzucken kann, habe ich den Arm aufgefangen und drücke seine Hand an meine Wange. Ich küsse seinen Handrücken, und blicke ihm wieder in die Augen.
„Ich will nicht, dass du mich verlässt“, wispere ich.
Justin lächelt ein wenig und schließt die Augen.
„Auf Wiedersehen, Tascha“, murmelt er, es ist fast nicht mehr zu verstehen.
„Ich muss jetzt gehen, mein kleiner Liebling.“
„NEIN! Bleib bei mir!“ Ich brülle wie ein Tier, packe seine Schultern, schüttele ihn durch und mache mir keine Gedanken über Schmerzen, die er haben könnte. Er muss sich unbedingt meine Überlegungen bis zum Schluss anhören. Außerdem will ich eine Antwort haben. Er reißt seine Augen auf, sie flattern, er möchte sie wieder schließen, aber das lasse ich nicht zu.
„Justin, bleib bei mir, bitte“, nochmals schüttele ich ihn durch. Jetzt zeigt es Wirkung. Er blickt mich fast klar an, nur noch der dünne Schleier liegt über seinen Augen. – Gut so.
„Justin, ich kann dich … verwandeln, wenn du das willst.“ Seine Augen werden größer. „Aber du sagtest doch, das es …“ Er leckt sich über die Lippen und sucht wahrscheinlich nach den richtigen Worten. „Dass es nicht sicher ist. Dass ich auch als Monster wiederkommen kann.“ Sein Blick ist eine einzige Frage.
„Justin, ich werde aufpassen, dass dir nichts geschieht. Außerdem könntest du nie böse sein, nicht so richtig.“ Ich lächle ihn an und streiche wieder diese Haarsträhne aus seiner Stirn. Justin fallen die Augen zu. Aber ich muss jetzt eine Antwort haben, ich kann das nicht machen, kann ihn nicht versuchen zu verwandeln, ohne sein Einverständnis. Ich fasse ihn leicht an der Schulter und beuge mich ganz nah zu seinem Ohr.
„Justin. Möchtest du gerne für immer bei mir bleiben? Möchtest du“, ich hole tief Luft, „willst du ein Vampir werden, ein Geschöpf der Nacht. Mein Gefährte der Nacht?“
Gespannt sehe ich Justin an. Er muss mir einfach eine Antwort darauf geben. Er öffnet die Augen und sein Blick geht schnell hin und her, als denkt er scharf nach, dann sieht er mich an.
„Ja, das möchte ich.“ Seine Stimme klingt sehr fest und entschlossen, er ist also bei klarem Verstand. Das macht es mir leichter, hinterher, wenn seine Vorwürfe kommen – Und sie werden kommen, dessen bin ich mir sicher.
Ich nehme ihn hoch und halte meine Wange an seine gedrückt. Ganz schlaff hängt er in meinem Arm. Ich küsse ihn auf die Wange, und gehe langsam tiefer. Küssend nähert sich mein Mund seinem Hals. Ich atme seinen Geruch ein, streiche mit der Nase über seine Halsseite, küsse ihn genau auf die Stelle, an der unter der weichen Haut seine Ader pulsiert. Ich merke, wie er schluckt.
„Versuch, mir zu verzeihen.“
Das ist der letzte Satz, den Justin in seinem menschlichen Leben hören wird. Meine Zähne schlagen sich durch seine zarte, fast durchscheinende Haut. Kurz bäumt er sich in meinen Armen auf und stöhnt. Ich trinke sein Blut, sauge es schnell in mich hinein. Ich muss mich konzentrieren, muss genau darauf achten, wann ich aufhören muss. Es muss alles schnell gehen. Sehr schnell, sonst ist Justin verloren, für immer verloren. Wenn ich einen Fehler mache und er sich in ein blutrünstiges, mordendes Monster verwandelt, wird er noch heute als dritte Fackel auf dieser schönen Lichtung enden.
Ich spüre genau, wie er in meinen Armen stirbt, wie der letzte Rest Leben aus ihm herausläuft. Gleich ist nichts mehr in ihm. Keine Seele, keine Persönlichkeit, kein Lachen … kein Leben.
All das habe ich ihm weggenommen, habe es in mich aufgesaugt.
Ich bin bereit, ihm alles zurückzugeben. Gemischt mit meiner Persönlichkeit, meinem Lachen, meiner Seele … meiner Liebe.
Ich bin fertig und lege Justin auf den weichen Boden. Sein Gesicht ist schneeweiß, kein Atemzug bewegt seinen Brustkorb.
Er ist tot, wirklich tot.
Ich hebe meinen Unterarm an die Zähne. Noch immer betrachte ich Justins Gesicht – er sieht so friedlich aus, so glücklich.
Ich zögere kurz, soll ich hier Schluss machen, soll ich ihm seinen Frieden lassen?
Nein, auch er hat sich für diesen Weg entschieden, darum wollte ich eben auch so
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