Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
Verrückte.
Ich bin innerlich hin und her gerissen, ich kann mich nicht konzentrieren. Für eine Jagd habe ich aber keine Zeit. Außerdem habe ich heute schon so viel Blut getrunken, wie schon lange nicht mehr.
Ich muss in mich gehen, mich sammeln. Mir fällt auch sofort ein, wo ich hingehen könnte, es ist nicht weit.
Ich blicke mich schnell um, ob mich jemand beobachtet. Dann renne ich los, in Richtung Stadtmauer, auf die hohen Zinnen. Da will ich hinauf und den Nachtwind um mich wehen lassen. Da oben kann ich wieder klar denken und werde, den für mich, richtigen Weg gleich wissen.
Nach der Sache im letzten Sommer, war ich oft hier oben. Habe Ausschau nach meinem nächsten Opfer gehalten und nachgedacht – über die Vergangenheit, die Zukunft hat mich nicht sonderlich interessiert.
Ich existiere, töte, trinke Blut und irgendwann werde ich sterben – so sah meine Zukunft für mich aus.
Und wie sieht sie jetzt aus?
Ich stelle meine Füße eng nebeneinander auf das bröckelige Gestein der alten Mauer, breite meine Arme aus und lege den Kopf in den Nacken. Der Wind pfeift um mich herum und versucht mich von den Zinnen zu stoßen. Er zerrt an meinen Sachen, und weht über meine kalte Haut.
Langsam tauche ich ein, in mein Innerstes und vergesse alles um mich herum.
Wie immer kommen erst die Bilder, Hunderte von Bildern. Von Dennis, als er noch ein kleiner Junge war und ich noch ein Mensch.
Von Justin, als Franks Halbblut, das Bild, wie er in seinem Badezimmer blutend vor mir liegt. Dann immer wieder, in Einzelbildern, wie ich ihn in einen Vampir verwandele, ihn zum Monster mache. Die nächsten Bilder von Justin zeigen nur noch seine Augen, braune, schöne und böse Raubtieraugen. Im Hintergrund höre ich immer noch das Geräusch, das entstand, als er mir mit einer Bewegung mein Genick gebrochen hat und ich sehe seine Gestalt, die mich im Staub liegen gelassen hat und von mir weg geht – mich verlässt.
Ich erhalte keine eindeutige Antwort, aus meinem Innersten, nur zwei Stimmen, die sich um eine Antwort streiten. Die völlig verrückte Stimme, die Justin noch liebt und die, die ihn lieber tot als alles andere sehen würde.
Ich gebe es auf und springe von den Zinnen. Ich kann noch keine Entscheidung treffen – heute noch nicht.
Aber ich bin trotzdem bereit für den hohen Rat, ich werde mich ihnen als Köder zu Verfügung stellen, dann sehe ich weiter.
Ich stehe vor dem großen Rathaus, gehe um die Ecke, auf die Rückseite und stehe vor einer Türe, es ist offen, die Klinke lässt sich leicht herunter drücken. Ich hole tief Luft und lasse die Türe aufschwingen. Dann gehe ich hinein.
Ich muss einen dunklen, engen Flur entlang und stoße wieder auf eine Türe – sie ist aus Holz und wirkt alt und verwittert.
Kein Türgriff zu sehen, nur ein großer Ring in der Mitte. Auch sie stoße ich auf.
Sie quietscht ein bisschen, ganz so, wie man das aus Horrorfilmen kennt. Ich muss grinsen. Tolle Tricks haben die hier, denke ich, mal sehen, was als nächstes kommt.
Vor mir führt eine steinerne, schmale Treppe in die dunkle Tiefe, sie besteht aus sehr alten Steinen und ist schon abgetreten. Ich gehe sie herunter, langsam, ich habe einen Kloß im Hals und fühle Angst in mir aufsteigen.
Als ich endlich nach – mindestens – hundert Stufen unten ankomme, stehe ich in einer kleinen Halle, die Decke von Säulen getragen. Die Wände der Halle reich mit Mosaik verziert. An ihrem Ende sehe ich eine hölzerne Doppeltüre und davor stehen zwei Burschen. Sie blicken mich entgeistert an.
Ich gehe auf sie zu, immer düsterer ziehen sich ihre Brauen zusammen, je näher ich komme.
Zwei Meter vor ihnen halte ich an, sie haben tatsächlich Schwerter in ihren Händen. Ich sehe mir die Vampire genauer an, sie wirken zwar nicht, als könnten sie mit ihren Waffen auch umgehen, aber man weiß ja nie, darum bleibe ich freundlich.
„Guten Abend, die Herren“, ich schenke ihnen einen verführerischen Augenaufschlag, „wäret ihr bitte so freundlich und meldet mich dem hohen Rat? Ich habe eine Aussage, vielmehr einen Vorschlag zu machen, der von äußerster Wichtigkeit ist.“
Die Zwei tauschen einen verwunderten Blick aus.
„Kommt mit“, sagt der eine, wahrscheinlich der Wortführer.
Sie ziehen die Doppeltüre auf und ich stehe in einem kleinen Vorraum mit Stühlen. Auch hier wird die Decke von Säulen gestützt und alles ist ebenso mit Mosaik verziert. Durch die Säulen hindurch, kann ich in eine riesige Halle
Weitere Kostenlose Bücher