Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
sehen.
Auf der linken Seite steht ein großes Podest, es ist stufenförmig angeordnet und der hohe Rat sitzt dort, nach Rang und Stellung geordnet. Alle tragen einen braunen Umhang, ähnlich einer Ordenstracht.
Auf der rechten Seite sind, wie in einem Stadion, Sitzreihen aufgestellt. Nach hinten immer höher werdend und halb rund.
Auf ihnen sitzen Vampire, jede Menge Vampire. Ein paar Gesichter kommen mir bekannt vor, aber die meisten kenne ich nicht.
Der Wächter deutet mir an hier zu warten, geht langsam hinter das Podium und steigt eine Treppe hoch, zum obersten Ratsmitglied – ich denke, das ist Alarich.
Ich besehe mir die anderen, die auf dem Podium sitzen.
Plötzlich bemerke ich jemanden, der daneben steht. Er hat die Beine leicht gespreizt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt und blickt stur geradeaus. Er trägt eine weiße Tunika und weiße Hosen.
Ansgar, denke ich und hoffe, dass er mich nicht hören kann. Ich sehe, wie sein Körper sich strafft, er blickt vor sich auf den Boden.
Natascha? Bist du das?, seine Stimme in meinem Kopf klingt erstaunt und ich glaube auch, ein bisschen erfreut. Aber sofort schlägt die Stimmung um und er wird wütend.
Was machst du hier? Josh wusste nicht, das du kommen würdest …
Inzwischen hat der Wächter, Alarich erreicht und ihm meine Bitte vorgetragen. Alarich teilt es den übrigen mit und ein Stimmgemurmel entsteht auf dem Podium.
„ANSGAR!“ Die Stimme von Alarich durchschneidet die Luft und unterbricht Ansgars Stimme in meinem Kopf.
Er dreht sich um und geht zu Alarich, ebenfalls die Treppe hinter dem Podium hoch. Er beugt sich zu ihm runter und Alarich flüstert in sein Ohr.
Ich kann nichts von der Unterhaltung verstehen, so betrachte ich nur Ansgars Züge und wie sie sich in Sekundenbruchteilen verändern. Mal ziehen sich seine Augenbrauen düster zusammen, dann schüttelt er schnell mit dem Kopf, schlägt die Augen nieder, nickt. Nur das letzte Wort kann ich verstehen – vielmehr von seinen Lippen ablesen – Ja, Herr.
Ansgar geht langsam die Treppe wieder herunter und kommt in meine Richtung. Er hat die Hände zu Fäusten geballt und blickt mit leicht gesenktem Kopf düster an mir vorbei, in seinen Augen kann ich eine wahre Feuersbrunst sehen.
Als er bei mir ist, packt er mich grob am Arm und zieht mich zurück, durch die Doppeltüre und in die kleine Halle.
Dort schleudert er mich unsanft gegen die Wand.
„Was zum Teufel machst du hier? Du weißt genau, dass der Rat noch hinter dir her ist, egal was ich denen erzählt habe. Also, was machst du hier?“ Ich stehe mit dem Rücken an die Wand gelehnt und starre zu Boden. Ich weiß nicht genau, was ich ihm sagen soll.
„ANTWORTE!“, brüllt er. Seine Stimme dröhnt in meinen Ohren und prallt hundertfach von den Wänden und der Decke in der kleinen Halle ab. Fast erwarte ich, dass die Säulen umstürzen und alles in sich zusammen kracht.
Ich blicke ihn an und sehe, wie er zurück zuckt. Sofort ist seine Stimme in meinem Kopf, sie klingt sanft und besorgt:
Was ist mit deinen Augen geschehen? Was hast du gemacht?
Ich habe geduscht, und dann sahen sie so aus, denke ich kurz. Laut sage ich: „Ich weiß es nicht, Ansgar. Sie sahen einfach plötzlich … so aus.“
„Das sind die Augen der desperatio – der Verzweiflung. Wusstest du das?“, sagt er leise.
„Nein.“ Der Verzweiflung, denke ich, ich bin doch gar nicht verzweifelt. Vielleicht eher uneins und zerrissen. Flüchtig denke ich an die zwei unterschiedlichen Stimmen in mir, die sich nicht einigen können. Scheinbar nicht flüchtig genug, ich habe wieder einmal die Tatsache vergessen, das Ansgar meine Gedanken lesen kann.
Das ist nicht dein Ernst. Es klingt fassungslos, dann dreht er sich um und geht mit auf dem Rücken verschränkten Armen durch die kleine Halle. Seinen Kopf hält er gesenkt, die Augen geschlossen. Seine Lippen bewegen sich, aber ich kann ihn nicht verstehen. Ich starre ihn nur an, und weiß weder was ich sagen, noch was ich denken soll.
Ganz plötzlich ist er bei mir und drückt mich mit seinem Körper leicht gegen die Wand. Er sieht mich an, das Feuer in seinen Augen lodert, flackert immer wieder auf, der rote, feine Rand um die Iris pulsiert, als könne er sich nicht entscheiden.
„Ich kann dir nicht mehr helfen, Natascha“, flüstert er.
Du musst tun, was du tun musst.
„Ich kann dich nicht zurückhalten.“
Ich habe keine Macht über dich.
„Ich habe versagt.“
Der schnelle Wechsel zwischen
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