Unsterbliche Leidenschaft
Metern Entfernung stehen blieb. »Bin ich mit Ihnen verabredet?« Ihr Atem bildete Wölkchen in der kalten Nachtluft.
Vlad erhob sich und neigte den Kopf. »Ich nehm’s mal an.« Einen Moment lang war er verblüfft, als er ihre Angst spürte. Sie fürchtete sich, sah ihm aber fest in die Augen. »Guten Abend, Mrs Whyte. Ich bin Vlad Roman.«
»Mr Roman, ich will wissen, wo meine Tochter ist.«
»Und ich soll ihren Aufenthaltsort kennen?«
»Sie sind ein Vampir, und soweit ich weiß der Anführer dieses Nests. Als meine Tochter verschwunden war, roch es in ihrem Haus nach Vampiren. Ja, ich glaube, Sie wissen, was passiert ist.«
Furcht, Angst und die Sorge um ihr Kind strahlte in Wellen von ihr aus. Er verstand, wie schmerzvoll es sein musste, ein Kind zu verlieren, nahm aber auch die Kampfansage wahr, die in jeder Faser ihres Körpers steckte. Eine tapfere Frau, die bereit war, für ihre Tochter das Schlimmste auf sich zu nehmen. »Kann sein, dass ich es weiß.« Ihr Herz klopfte wie wild, als sie das hörte, nach außen jedoch zeigte sich ihre große innere Anspannung nur in einem Zucken des Mundwinkels. »Sie glauben mir vielleicht nicht, aber ich sage Ihnen, dass kein Mitglied meiner Kolonie ihrer Tochter auch nur ein Haar gekrümmt hat.«
»Aber jemand ist verantwortlich dafür. Und dieser jemand war ein Vampir.«
»Haben Sie denn ein Bild von Ihrer Tochter, Mrs Whyte?«
Sie griff in ihre Umhängetasche und reichte ihm ein Foto. »Erkennen Sie sie wieder?« Ihre Stimme zitterte bei dieser Frage. Ihr Herz raste. Ihre angsterfüllten Atemzüge hallten durch die Stille der Nacht.
Windzerzaust, mit kurzem, dunklem Haar, lachte auf dem Foto eine junge Frau in die Kamera. Ein vollkommen anderer Mensch im Vergleich zu dem verschüchterten Ghul. Seine Wut auf den unbekannten Missetäter steigerte sich ins Unermessliche. Er sah auf die junge Frau, die, das Kinn hochgereckt und die Hände zur Faust geballt, mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand. »Wie heißt denn Ihre Tochter?«
»Heather.«
Wie jenes süß duftende Gewächs, das im Sommer die Moore in Yorkshire überzog. Eine junge Frau mit dem begrenzten Leben einer Sterblichen, einem Leben, das von diesem Monster ausgelöscht wurde. Mit einer knappen Verbeugung gab Vlad das Foto zurück. »Mrs Whyte, für eine Sterbliche ist es hier draußen zu kalt. Lassen Sie uns doch nach drinnen gehen. Ich weiß, wo sich Ihre Tochter aufhält.«
»Dann sagen Sie es mir doch!« Er hatte angenommen, ihr Puls könnte nicht mehr schneller gehen. Das war ein Fehler. Ihr Atem stockte. Auf der Stirn und der Oberlippe traten kleine Schweißperlen hervor. Sie packte seinen Arm so fest, dass jeder Sterbliche davon blaue Flecke bekommen hätte. »Um des Mitleids willen, sagen Sie es mir!«
»Ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß, Madame. Sie können beruhigt sein, Ihre Tochter ist in Sicherheit. Darauf mein Wort.« Ihr Herzschlag verlangsamte sich vorübergehend, wurde dann aber wieder schneller. Sein Wort bedeutete ihr anscheinend nicht viel. »Ihr kann jetzt niemand mehr was antun … nicht mehr. Kommen Sie, setzen wir uns rein ins Warme, und ich erzähle Ihnen alles, was ich weiß.«
Er öffnete die Tür, um sie zum Eintreten zu bewegen. Schließlich überwand sie ihr Misstrauen. Der verzweifelte Wunsch, Neues zu erfahren war stärker. Drinnen war es angenehm warm und fast leer. Der Tisch am Kamin war seinem Wunsch gemäß frei. Als er ihr einen Stuhl anbot, bedachte sie ihn mit einem vorsichtigen Blick über die Schulter. Dann sah sie zu, wie er ihr gegenüber Platz nahm. »Also! Schießen Sie los!«, sagte sie.
Joe erschien an ihrer Seite. Sie sah von ihm zu Vlad und wieder zurück, sich voll und ganz bewusst, dass sie es mit zwei Vampiren zu tun hatte. Für eine Sterbliche ein unglaublicher Scharfsinn.
»Darf ich Ihnen etwas bringen, Madame?«, fragte Joe.
Sie schüttelte den Kopf. Ihren geröteten Wangen nach zu urteilen, fröstelte sie, und auch ihren Mantel ließ sie bis oben zugeknöpft.
»Wenn Sie genügend Vertrauen haben, mir in dieses Lokal zu folgen, können Sie dann nicht auch Joe vertrauen, etwas Warmes für Sie zuzubereiten? Die Nacht ist kalt.« Sie zuckte mit den Schultern, wie um anzudeuten, Heißgetränke seien jetzt nicht ihr Thema. »Sie gestatten?« Auf ihr Nicken hin wandte er sich an Joe. »Heiße Milch mit Honig und einem Schuss Brandy.« Als Joe weg war, sagte Vlad zu ihr: »Davon wird Ihnen warm.« Und es würde sie entspannen, falls
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