Unsterbliche Leidenschaft
in Angelas Richtung, obschon Toms Hand besitzergreifend auf ihrem Arm lag. Sie würde Toby mit seinen Äußerungen über die intellektuellen Fähigkeiten des Franzosen auf jeden Fall beim Wort nehmen.
Toby war der Einzige in der Runde, den sie halbwegs als ihren Landsmann betrachten konnte, aber er war zu anderen Zeiten an einem anderen Ort aufgewachsen. Seine Herkunftswelt der Plantagen hatte er hinter sich gelassen und war als blinder Passagier während des Unabhängigkeitskriegs auf einem Blockadebrecher außer Landes geflohen.
Und da war natürlich Justin, weltmännisch-selbstbewusst und sündhaft gut aussehend. Hätte sie nicht Tom an ihrer Seite, wäre sie sicher ein kleines bisschen eifersüchtig auf Stella. Aber es gab ja Tom, und sie liebte ihn ohne jeden Zweifel. Sie wusste, wer sie war, und dass Tom Kyd sie ebenfalls liebte. Sie hoffte nur, die versammelte Runde würde einen Weg finden, der drohenden Gefahr zu begegnen.
Die wenigen bruchstückhaften Erinnerungen an ihren ›Schöpfer‹ verursachten ihr immer noch Albträume, und sollte es stimmen, dass er stärker gewesen war als Justin, Gwyltha und Antonia zusammen …
»Ich danke dir aufrichtig, Etienne, dass du uns so prompt zu Hilfe geeilt bist«, sagte Gwyltha.
Etienne erhob sich halb und machte eine Verbeugung. »Wie hätte ich mich der Bitte verweigern können? Dieser Bedrohung muss Einhalt geboten werden, und ich stehe natürlich, wie immer, selbstverständlich zu Euren Diensten.«
»Meines Wissens kennst du alle hier Versammelten, ausgenommen vielleicht Angela Ryan.«
Sie wurde ebenfalls mit einer höflichen Verbeugung bedacht. Sie musste zugeben, er hatte Stil. »Wir hatten schon das Vergnügen«, sagte er.
»Lasst uns beginnen«, sagte Gwyltha. »Justin und ich berichten, was wir in der unmittelbaren Begegnung mit diesem Eindringling erlebt haben. Wenn Angela dann noch ihre Erinnerungen beisteuert, kannst du vielleicht in etwa ausmachen, mit welcher Kreatur wir es hier zu tun haben und wo ihre Schwachstellen liegen.«
»Du denkst daran, ihn zu vernichten?«, fragte Etienne, wobei er eine perfekt modellierte Braue hochzog.
»Er hat uns angegriffen, und er bedroht eine Schutzbefohlene«, erwiderte Gwyltha. »Sollte er erneut auftauchen, bekommt er natürlich die Chance zur Umkehr; wenn er das Angebot ablehnt, machen wir von unserem Verteidigungsrecht Gebrauch.«
Etienne nickte; die Argumentation erschien ihm vernünftig. »Wenn ihr mir sagt, was ihr über ihn wisst, kann ich euch vielleicht helfen.« Er zuckte die Schultern. »Viel Zeit haben wir nicht.«
»Die Morgendämmerung beginnt um 7.45 Uhr. Das sind noch drei Stunden«, sagte Tom. »Du kannst die Sicherheitskammer haben, Etienne. Bleib, so lange du willst.«
»Ich will eure Großzügigkeit nicht länger als unbedingt nötig beanspruchen.«
»Die Zeit drängt offenbar, also lasst uns mit der Präsentation der Sachlage beginnen«, sagte Gwyltha. »Justin, du bist ihm zuerst begegnet. Berichte uns deine Erfahrungen.«
Etienne nickte, lehnte sich zurück und wandte sich Justin zu. »Ich bin ganz Ohr.«
Das war Angela auch. Ein paar Einzelheiten hatte sie von Tom schon erfahren, aber ihre Aufmerksamkeit hatte bis dahin der entwendeten Festplatte gegolten und nicht den Vorgängen in Yorkshire.
»Angefangen hat alles gestern Nachmittag. Mein Sohn kam nach Hause und erzählte, ein Mann habe ihn angehalten und nach dem Weg zu unserer Klinik gefragt. Intuitiv hat Sam ihm den falschen Weg gewiesen. Ich bin froh, dass er seinem Bauchgefühl vertraut hat. In der Annahme, es handle sich bei dem Mann um einen Skandalreporter, habe ich mich auf die Suche nach ihm gemacht. Ich fand ihn auch und wollte seine Neugier stoppen; er aber blies mich mit einer schier unfassbaren Kraft hinweg. Ich trat den Rückzug an, rief Gwyltha und Antonia zu Hilfe und veranlasste aus Furcht vor einem weiteren Angriff sofort, dass meine Frau und mein Sohn in unserer Zufluchtsstätte Schutz suchten.«
»Du hast einen Sterblichen in unseren sicheren Hafen gebracht?«, fragte Toby, hob aber auf einen Blick Gwylthas hin entschuldigend die Hand. »Tut mir leid, dass ich unterbrochen habe. Fahr bitte fort.«
»Wir haben also den Eindringling gemeinsam gestellt und ihn nach seinen Absichten befragt. Er verlangte die Rückgabe seines Eigentums: einer gewissen Elizabeth Connor. Der Name sagte uns damals nichts, und wir gaben an, wir wüssten nicht, wo sie sich aufhielte. Daraufhin reagierte er mit aller Kraft. Nach
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