Unsterbliche Lust
spürte Sasha, wie ihr Herzschlag stark in ihren Ohren klopfte.
Heiser fragte sie: «Können Sie mir sagen, wo diese Schreinerei liegt?»
Für einen flüchtigen Augenblick erkannte Sasha einen wundersamen Ausdruck auf Rosies Gesicht – war es Besorgnis, Neugier oder gar verdeckte Freude? Aber dann zeigte sie wieder ihr normales, freundliches Gesicht und nickte eifrig, dass ihre roten Locken tanzten. «Ja, natürlich kann ich Ihnen das sagen», antwortete sie und zeichnete ein paar Striche und Punkte auf ihren Notizblock.«Vom Parkplatz biegen Sie links ab, an der Tankstelle wieder links, dann etwa eine Meile geradeaus, und wo sich die Straße gabelt, fahren Sie nach rechts.»
Sie riss den Zettel ab und reichte ihn Sasha. «Die Schreinerei liegt auf der linken Seite», fügte sie noch hinzu, und diesmal klang die Neugier durch. «Sie können sie nicht verfehlen.» Sie trat vom Tresen zurück, drehte sich um, blieb auf dem Weg zur Küche aber noch einmal stehen. «Kann ich Ihnen ein neues Frühstück bringen?»
«Nein, danke, das ist liebgemeint von Ihnen», sagte Sasha rasch. Allein der Gedanke ans Essen verursachte ihr schon Übelkeit. «Ich trinke noch meinen Tee, dann können Sie sich wieder um Ihre Arbeit kümmern.»
Sie trank den Tee und stand auf, um in ihr Zimmer zu gehen. Die Tür zur Küche stand offen. «Rosie», begann sie und wusste nicht so recht weiter, «ich danke Ihnen für … nun ja, was Sie für mich getan haben», sagte sie lahm. Sie errötete leicht, als sie sich daran erinnerte, wie sie mit dem Kopf an Rosies Brüsten gelegen und wie wohl sie sich dabei gefühlt hatte.
«Keine Ursache», gab Rosie lässig zurück. Sie sah Sasha durchdringend an und wollte wohl auch noch etwas sagen, aber dann schüttelte sie den Kopf und wurde geschäftlich. «Brauchen Sie das Zimmer für eine weitere Nacht?»
«Ich weiß nicht», erwiderte Sasha, aber etwas in den Augen der Frau ließ sie nicken. «Ja, doch, ich würde gern noch bleiben, wenn es Ihnen recht ist.»
«Natürlich», sagte Rosie und nickte kurz. «Dann sehen wir uns später.»
Nachdem Sasha ihr Make-up aufgefrischt hatte, was ihr gar nicht leichtfiel, weil ihr der Schreiner J. Blakeleynicht aus dem Kopf ging, spürte sie, wie Panik in ihr aufstieg. Am liebsten würde sie nicht zur Schreinerei fahren. Oder ob es ihr gelingen würde, Rosie zu überreden, sie zu begleiten?
Aber das ist töricht, schalt sich Sasha. Wie sollte sie Rosie plausibel machen, dass sie Angst hatte? Wovor? Warum? Sie schüttelte den Kopf über sich selbst, zog die Strumpfhose gerade und überprüfte ihr Gesicht im Spiegel, ehe sie die Treppe hinunterging. Sie hielt nach Rosie Ausschau, aber von der Wirtin war nichts zu sehen.
Rosies Zeichnung war akkurat und leicht zu befolgen, und so dauerte es nur fünf oder sechs Minuten, bis sie den kleinen Möbelladen ganz allein an der verlassenen Straße liegen sah. An einem schmiedeeisernen Gestell schwankte ein Holzschild im Wind, und auf dem Schild stand in geschwungenen schwarzen Buchstaben: J. BLAKELEY, SCHREINER .
Sasha schaute sich um. Der Parkplatz des Möbelladens lag verlassen da, abgesehen von einem sehr altersschwach aussehenden Pick-up. Sie stellte ihren Mietwagen daneben, zwang sich dazu, den Motor abzustellen, und mit weichen Knien und einem nervösen Magen stieg sie aus dem Auto.
Sie sah die offen stehende Ladentür und ging darauf zu, in ihrem Kopf ein Wirrwarr von Gefühlen, die aus Hoffnung, Freude und Furcht zusammengesetzt schienen.
Vor der Tür blieb sie noch einmal stehen, nicht nur ihrer Nerven wegen, sagte sie sich, sondern auch, weil sie sich das Haus genauer anschauen wollte. Es war ein kleines zweistöckiges Gebäude. Oben gab es nur zwei Fenster, deren Vorhänge zugezogen waren.
Durch das Fenster unten konnte man kaum in den Laden sehen, denn es war vollgestopft mit Mobiliar. Sasha trat näher, um die Stücke aus Eiche, Kirschbaum, Buche und Mahagoni besser erkennen zu können. Sie sah eine wunderschöne, klassische Kommode mit Schubladen, die sich nach oben verjüngten, einen hübschen kleinen Tisch mit wertvoller Intarsienarbeit, ein rotlackiertes Schaukelpferd sowie einen prächtigen Schreibtisch aus dunklem Holz.
Zaghaft schaute sie hinein. Es schienen keine Menschen in dem Laden zu sein, vor lauter Möbelstücken in den verschiedensten Fertigungsstadien wäre auch kaum Platz für sie gewesen. Das Innere sah irgendwie schaurig aus, daran änderte auch die späte Septembersonne
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