Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12
Art, wie die beiden miteinander umgingen, schloss sie, dass
sie sehr gute Freunde sein mussten.
Ihre
Kehle war wie zugeschnürt. Sie hatte Mühe zu atmen. Alles drehte sich um sie,
die Dunkelheit drohte sie zu verschlingen. Violet legte die Hände an ihren Hals
und ließ sich auf den schmutzigen Boden sinken. Der kalte englische Wind
peitschte ihr die Haare ins Gesicht und wirbelte alle Gerüche durcheinander.
Erde,
Blätter, Steine, Rauch, Pelz, Fleisch, Heu, Zeltleinwand ... der Geruch der
Artisten in ihren Wohnwagen drohte sie zu überwältigen.
Sie
musste ruhig bleiben!
Violet
griff unter ihren Rock und tastete nach dem Messer, das sie an ihren
Oberschenkel gebunden hatte. Sie zog es heraus und wog es in der Hand. Das
vertraute Gewicht beruhigte sie, erdete sie. Mit einem heftigen Stoß versenkte
sie die Klinge in der weichen Erde.
Patricks
Freund oder nicht, sie musste tun, was sie sich vorgenommen hatte. Ihr war von
Anfang an klar gewesen, dass es nicht leicht werden würde. Ihn gar bei der ersten
Begegnung zu überwältigen, war höchst unwahrscheinlich. Er war ein Bluttrinker
und besaß damit weitaus schnellere Reflexe als ein Mensch. Die Seherin hatte
ihr erklärt, dass sie nur dann Erfolg haben würde, wenn es ihr gelänge, ihn zu
überraschen. Und ihr Messer musste ihn mitten ins Herz treffen.
Sie
musste sich Ismails Vertrauen erschleichen. Aber wie?
»Violet?«
Violet
hob fassungslos den Kopf. Was hatte er hier
zu suchen? Konnte er sie denn nicht einen Moment in Ruhe lassen? Sie musste
nachdenken!
»Lass
mich in Ruhe.«
Er
bückte sich. »O nein, Liebes.« Seine Hände umschlossen ihre Oberarme, und er
hob sie buchstäblich auf die Füße. »Du wirst mir jetzt sagen, was los ist,
Violet. Steckst du in Schwierigkeiten?«
Was?
Violet begriff nicht. Was wollte er? Wieso glaubte er, dass sie in
Schwierigkeiten steckte?
»Ich
weiß nicht, was du meinst. Und was du hier zu suchen hast. Die letzte
Vorstellung ist längst vorbei.« Sie schürzte ihre Röcke und ging entschlossen
zu den Wohnwagen hinüber. Sie musste es bis zu ihrem schaffen. Dann könnte sie
ihm die Tür vor der Nase zuschlagen und hätte ihre Ruhe.
Er
sagte nichts, wich aber nicht von ihrer Seite. Violet wurde noch nervöser. Vor
den Stufen ihres kleinen Waggons blieb Violet stehen.
»Gute
Nacht, Patrick«, sagte sie so bestimmt wie möglich und hob den Holzriegel. Er
rückte nicht von der Stelle. »Verdammt!« Sie drehte sich zu ihm um, aber was
immer sie auch sagen wollte, blieb ihr in der Kehle stecken, denn zum dritten
Mal an diesem Abend hob er sie einfach hoch und kletterte mit ihr in den
Wohnwagen.
Sobald
er sie losgelassen hatte, um die Tür zu schließen, wich Violet stolpernd
zurück. Die Tatsache, dass sie nicht aufrecht stehen konnte, machte sie noch
verwundbarer. Sie strich unwillkürlich über ihren Rock. Ihr Messer! Sie hatte
ihr Messer in der Erde stecken lassen!
»Suchst
du das hier, Schatz?« Metall, Erde und Leder. Sie selbst hatte den Griff des
Messers mit Lederstreifen umwickelt, damit es ihr nicht aus der Hand rutschte.
»Das
ist zusammen mit deinem Kleid zu Boden gefallen, in der Nacht, als wir uns zum
ersten Mal geliebt haben. Du trägst es immer bei dir, stimmt's?« Patrick klang
zornig, und für einen Moment fürchtete Violet, dass er ihr auf die Schliche
gekommen war.
Aber
wie? Unmöglich! Er konnte nichts wissen. Aber er war ein Bluttrinker. Er konnte
versuchen, ihre Gedanken zu lesen. Sie wusste zwar, was in so einem Fall zu tun
war, aber ob sie es schaffen würde, lange genug an nichts zu denken...
»Ich
will allein sein. Bitte geh.«
»Nein.«
»Warum
nicht, verdammt noch mal?«
»Erst
sagst du mir, was du für Schwierigkeiten hast. Ist jemand hinter dir her?«
Wie?
Er glaubte, dass jemand hinter ihr her sei? War das der Grund für seinen Zorn?
»Niemand
ist hinter mir her«, sagte Violet so ruhig wie möglich.
»Und
wofür ist dann das Messer?«, fragte er zweifelnd. Violet, die gekniet hatte,
richtete sich in eine sitzende Position auf.
»Zum
Schutz.« Das war keine Lüge. Sie hatte es oft genug gebraucht, um sich
irgendwelche Schurken vom Leib zu halten.
»Du
brauchst kein Messer mehr«, sagte er, zog sie in seine Arme und begann sie zu
küssen.
Violet
kam überhaupt nicht auf den Gedanken, ihn abzuwehren. Es war zu herrlich, in
seinen Armen zu liegen... Aber sie durfte jetzt nicht ihre Ziele vergessen!
»Patrick.«
Sie versuchte sich von ihm loszumachen.
»Nein,
Violet, Schluss mit
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