Unsterbliches Verlangen
ein Fächer, wenn sie ihn dringend brauchte?
Plötzlich durchfuhr ein stechender Schmerz ihren Unterleib. Nein! Nicht jetzt. O Gott, nicht jetzt!
Noch ein entsetzlicher Krampf jagte durch ihren ganzen Körper. Gequält sah sie zu Chapel auf. Der Schreck und die Bestürzung waren ihm deutlich anzusehen, als er zu ihr eilte.
»Pru, was ist?«
Dass er sie vor allen anderen mit ihrem Vornamen ansprach, war ein weiterer Beweis dafür, wie betroffen er war. Pru konnte seine Sorge um sie allerdings nicht würdigen, denn ihre Schmerzen waren viel zu groß.
Feucht. Zwischen ihren Beinen wurde es feucht.
Chapel errötete. »Sie bluten!«
Perplex blickte sie zu ihm auf. Wie konnte er das wissen? Er hatte es leise genug gesagt, dass niemand sonst ihn hören konnte, und doch schien er es gleichzeitig mit ihr bemerkt zu haben. Wie?
»Bringt sie auf ihr Zimmer!« Es war ihr Vater, der das sagte. »Marcus, hol den Arzt!«
Das Nächste, was Pru mitbekam, war, wie sie in Chapels starken Armen lag und er so schnell mit ihr zur Treppe eilte, dass ihre Schwestern rennen mussten, um mit ihm mitzuhalten. Es hatte den Anschein, als würde sie ihn überhaupt nicht belasten, und seine Augen ... seine Augen brannten kühlenden Kohlen gleich.
Der Schmerz musste ihre Wahrnehmung trüben. Anders war das nicht zu erklären. Niemandes Augen konnte so strahlen. Und niemand war so stark.
Was sie sich jedoch nicht einbildete, war die Angst oder Sorge in seinem Gesicht. Er war um sie besorgt, was sie rührend fand - rührender, als sie zugeben wollte.
»Nach rechts«, hörte sie Matilda ihm zurufen, kaum dass Chapel den oberen Treppenabsatz erreichte. Natürlich konnte ihre Schwester nicht ahnen, dass Chapel bereits wusste, wo Prus Zimmer war.
Er antwortete nicht, sondern bewegte sich einfach mit dieser seltsamen Geschmeidigkeit weiter. Einzig ein Muskel in seiner Wange zuckte.
»Was würde ich ... ah!« Ein neuer Krampf trieb ihr Schweißperlen auf die Stirn, und sie krümmte sich. »... tun, wenn Sie mich nicht tragen könnten?«
Die Andeutung eines Lächelns zeigte sich auf seinem Gesicht, und seine Augen wirkten nun ein wenig normaler. »Wie ich Sie kenne, würden Sie es irgendwie allein schaffen.«
Pru lachte zittrig. Es tat weh, aber das tat es ohnehin. Diese Vertrautheit zwischen ihnen gefiel ihr und tröstete sie in einer Situation, in der sie sonst nichts als Schmerz und Angst empfand. Das war außergewöhnlich, bedachte man, wie kurz sie sich erst kannten, aber sie wollte es nicht in Frage stellen. Sie war schlicht dankbar dafür.
Sie kamen in ihr Zimmer, wo Chapel sie so sanft, dass sie es kaum merkte, auf ihr Bett legte. Noch ehe Pru sich bei ihm für die Hilfe bedanken konnte, hatten ihre Schwestern ihn beiseite gedrängt. Sie rissen sich förmlich darum, sie zu bemuttern.
Und wie verängstigt sie aussahen! Es brach Pru das Herz, sie so zu sehen, deshalb schloss sie die Augen und biss die Zähne zusammen, als die nächste Schmerzwelle sie überrollte.
Mit aller Kraft dachte sie an Chapel, stellte sich ihn vor und wie sie vollständig von seiner Kraft umfangen war. Sie malte sich aus, wie er sie wieder in seinen Armen hielt, ganz fest, und sie nicht wieder loslassen wollte. Und sie dachte an sein Lächeln und daran, wie sehr sie es genoss, es heraufbeschworen zu haben.
Außerdem betete sie, dass sie nicht starb, ohne ihn wiedergesehen zu haben.
Kapitel 10
Chapel hockte auf dem Boden vor Prus Tür. Niemanden schien zu stören, dass er hier Nachtwache hielt, obwohl es doch höchst unanständig war. Molyneux saß neben ihm auf einem Stuhl, Prus Familie auf der anderen Seite des Korridors. Selbst Prus Schwäger waren dort, fühlten sich allerdings sichtlich unwohl. Marcus ging unruhig auf und ab.
Chapel mied den jungen Mann, der ihn ansah, als erwartete er von ihm, etwas für Pru zu tun. Das schockierte Chapel, obwohl es keineswegs so war, dass er nichts für sie hätte tun können; vielmehr wusste er nur zu genau, woran Marcus dabei dachte.
War Pru so krank? Sie war krank genug, um innerlich zu bluten. Er hatte es sofort gerochen, als er zu ihr geeilt war. Und es war frisches Blut gewesen, kein weibliches Monatsblut.
Schmerz und Blut, eine Kombination, die ihm seit Jahrhunderten folgte und die nie Gutes verhieß.
Sie musste fürwahr sehr schwer krank sein, wenn jemand glaubte, ein Vampir zu werden wäre die einzig denkbare Heilung für sie. Aber natürlich gab es da immer noch den Heiligen Gral.
Den Heiligen
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