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Unsterbliches Verlangen

Unsterbliches Verlangen

Titel: Unsterbliches Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katryn Smith
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menschlichen.«
    Nun verhärteten ihre Züge sich sichtlich. »Also, Krankheiten können Ihnen nichts anhaben und Verletzungen ebenso wenig. Dennoch behaupten Sie, Schwächen zu besitzen. Welche wären das?«
    Sie war wütend auf ihn, und sie suchte Streit. Vermutlich fühlte sie sich betrogen, allein und verwirrt. Hilflos. Das sah er ihren Augen an. Doch selbst wenn er es nicht besser verdiente, behagte ihr Ton ihm nicht.
    »Gift kann mich krank machen«, erklärte er gereizt, »wie das Gift, das ich Ihnen in dem Keller entnahm. Und Sonnenlicht, so wie das an dem Morgen, als ich Sie herbrachte, kann mich umbringen. Wären Sie bei Bewusstsein gewesen, hätte mein Anblick zu jenem Zeitpunkt wahrscheinlich ausgereicht, um Ihnen Alpträume zu bescheren. Reicht das an Schwächen, Pru, oder soll ich fortfahren?«
    »Nein«, flüsterte sie, »das reicht.«
    Zu weit. Er war zu weit gegangen, das war offensichtlich. Er hatte sie verletzt, obwohl er es nicht wollte. Nein, das stimmte nicht ganz. Ein Teil von ihm wollte sie verletzen, damit sie einsah, dass er nicht an ihrer Krankheit schuld war und sie ihn nicht um sein Leben beneiden sollte.
    Denn was war das für ein Leben, wenn man nicht lebte?
    Und ein Teil von ihm war ihr womöglich gram, weil sie etwas sehen ließ, das selbst seine Existenz lebenswert machte. Es wäre ein Leichtes gewesen, an jenem Morgen aufzugeben und zu sterben, an dem er sie aus der Ruine hergetragen hatte. Er hätte schlicht aufhören können, um sein Nichtleben zu kämpfen, Vergebung für seine Seele erbitten und dorthin gehen können, wo seinesgleichen nach dem Tod hingingen. Stattdessen aber hatte er sich an sein Leben, an diese Welt geklammert. Und er hatte es aus keinem anderen Grund getan, als dass er lange genug leben wollte, um Pru noch einmal zu sehen.
    Zu allem Überfluss wurde ihm erneut klar, dass er auf ewig von dem Wunsch getrieben sein würde, Pru noch einmal sehen zu wollen, selbst wenn sie einst nicht mehr da sein sollte. Vielleicht könnte er ebenfalls gehen, sobald sie fort war, aber das bezweifelte er. Die Chance, sich für Jemand anders zu opfern, ergab sich nicht allzu oft. Dieses hier war jedenfalls seine erste in sechs Jahrhunderten.
    Es war ihm gelungen, Pru und ihre Familie zu retten, was ihn Prus Vertrauen gekostet hatte. Nun, damit konnte er leben, solange sie nur noch atmete. Aber was war, wenn die Ordensleute erfuhren, dass die Rylands noch lebten, und zurückkamen? Das nächste Mal würden sie bis mittags warten, ehe sie zuschlugen, statt noch einmal irrtümlich anzunehmen, er wäre im Morgengrauen am schwächsten. Heute hatte Marcus glücklicherweise mit ihnen kooperiert, aber das nächste Mal ...
    Er musste dafür sorgen, dass es kein nächstes Mal gab. Und falls er jedes einzelne Mitglied des Silberhandordens jagen und zu Boden - oder ins Grab - bringen musste, dann würde er genau das tun.
    Seine Mordlust musste ihm anzusehen gewesen sein, denn alle im Raum wurden sehr blass.
    Schließlich trat Molyneux vor. Aus einer Schnittwunde an seinem Kopf lief ihm leuchtend rotes Blut über die Braue und um das linke Auge. Ansonsten schien er unverletzt. Der alte Priester könnte wahrscheinlich mit Satan selbst ringen und es weitestgehend unbeschadet überstehen.
    »Ich weiß, dass das alles sehr fantastique für Sie ist. Ich habe über die Hälfte meines Lebens mit Chapel verbracht, und manchmal erwartete ich trotzdem noch, eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, dass es bloß ein seltsamer Traum war. Vielleicht kann ich es Ihnen begreiflicher machen.«
    Anscheinend beruhigten Molyneux' Worte die Familie tatsächlich ein wenig, ausgenommen Pru. Ihre Augen wirkten auf einmal schmerzerfüllt, als Molyneux gestand, den Großteil seines Lebens mit ihm verbracht zu haben. Seine Unsterblichkeit war für sie noch wie eine offene Wunde. Was war schlimmer? Dass sie ihn für einen ganz normalen Mann gehalten hatte, oder dass er sie selbst dann überleben würde, wenn sie ein Wunderheilmittel fand?
    »Bitte entschuldigen Sie mich«, murmelte sie und erhob sich von der Couch, ehe Molyneux mehr sagen konnte. »Ich möchte mich gern auf mein Zimmer zurückziehen.«
    Chapel wollte ihr folgen, doch Marcus hielt ihn zurück, indem er eine Hand auf seinen Arm legte.
    Der dunkelhaarige Mann nickte zur Eingangshalle, die lichtdurchflutet war - so grell, dass es Chapel in den Augen brannte. Die Sonne.
    »Sie braucht ein wenig Zeit für sich«, erklärte Marcus leise. »Und daran ändern

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