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Unsterbliches Verlangen

Unsterbliches Verlangen

Titel: Unsterbliches Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katryn Smith
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Selbst Temples Verschwinden war nur mehr ein schemenhafter Gedanke. Das allein hätte ausreichen müssen, um ihm furchtbare Schuldgefühle zu bescheren, was es natürlich auch tat, wenn er denn daran dachte.
    Zumeist allerdings dachte er an Pru, wenn sie gerade nicht zusammen waren, was nicht sehr oft vorkam. Von dem Moment an, da er aufwachte, bis zu dem, wenn er sich nicht mehr gegen den Schlaf wehren konnte, waren sie zusammen. Bisweilen blieben andere Mitglieder ihrer Familie auf, und sie gaben sich den üblichen Zeitvertreiben hin. Sie alle waren freundlich zu ihm und schienen ihn allmählich als das zu akzeptieren, was er war. Einzig Matilda war nach wie vor ein bisschen ängstlich, doch selbst das wurde spürbar besser.
    Er wollte diese kleine Ecke des Himmels nicht verlassen, obwohl er wusste, dass er es eines Tages müsste. Ihm graute so sehr davor, Pru zu verlassen, und er wollte nicht da sein, wenn sie starb.
    Bis dahin strengte er sich nach Kräften an, nicht an ihren Tod zu denken, und konzentrierte sich lieber darauf, das Beste aus der Zeit zu machen, die ihnen blieb, und ganz in der Gegenwart zu leben.

    »Bist du sicher, dass du das willst?« Chapel sah zu Pru hinab, als er die Frage stellte.
    Sie blickte zu ihm auf. In der Dunkelheit waren ihre Augen schwarz, die Pupillen so weit, dass sie beinahe die gesamte Iris ausfüllten. »Ich bin sicher. Ich habe bloß Angst.«
    Er lachte. Sie standen auf dem Balkon vor ihrem Zimmer, beide in ihrer Abendgarderobe. »Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert.«
    Pru nickte und zupfte an dem Schal, den sie sich um den Kopf gewunden hatte. »Ich weiß. Ich frage mich nur, wer aufpasst, dass dir nichts passiert.«
    Dass sie ihm vertraute, sie vor allem Unheil zu bewahren, rührte an Empfindungen in ihm, die er längst unwiederbringlich verkümmert geglaubt hatte.
    »Niemandem wird irgendetwas passieren. Und jetzt leg deine Arme um mich!«
    Grinsend tat sie, was er ihr sagte. Ach hätte ahnen müssen, dass das Ganze bloß ein Vorwand ist. Du kannst gar nicht wirklich fliegen, oder?«
    Chapel umarmte sie fest und antwortete, indem er sie beide mit der Geschwindigkeit eines Pistolenschusses hoch in den Himmel katapultierte. Prus Kreischen verhallte ungehört in der Nacht, während sie zu den Wolken flogen.
    Ihr Gesichtsausdruck und die Art, wie sie sich an ihn klammerte, brachten Chapel zum Lachen. Er drehte sich auf die Seite, damit sie beide einen guten Blick auf die Erde unter und den Himmel über ihnen hatten. Pru jedoch schien einzig sein Gesicht ansehen zu können.
    »Wir fliegen!«, schrie sie.
    Der Wind peitschte durch sein Haar und drohte, Prus sorgfältig gebundenen Schal von ihrem Kopf zu reißen. Dort, wo sie hinflogen, interessierte niemanden, wie ihr Haar aussah, aber sie wollte trotzdem hübsch sein. Und es brauchte einen stärkeren Mann als Chapel, um Pru etwas zu verweigern, was sie sich einbildete.
    Heute Nacht war ihr Ziel ein Londoner Etablissement, in dem Burlesken aufgeführt wurden. Es war lange her, seit Chapel sich solch eine schlüpfrige Vorstellung angesehen hatte, aber sie zählte zu den Dingen, von denen Pru sagte, sie würde sie gern kennenlernen, und er hatte nicht vor, es ihr zu verweigern. In dieser modernen Welt verwandten die Menschen annähernd gleich viel Anstrengung darauf, zu behaupten, dass der Geschlechtsakt nicht vorkam, wie auf die Perfektion aller Arten von Lastern, die sie mit genau ihm verbanden.
    Als sie das Haus betraten, bekamen sie Masken gereicht, falls sie ihre Identität verbergen wollten. Erst wollte Chapel keine nehmen, überlegte es sich dann aber anders. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass jemand hier war, der Pru kannte - und sie zusammen bei einem anderen gesellschaftlichen Anlass wiedertreffen könnte. Und niemand sollte erfahren, dass er Pru in diese Vorstellung mitgenommen hatte. Ihre Reputation wäre auf immer besudelt.
    Während der gesamten Vorstellung hielt sie seine Hand und stellte tausend Fragen, die es allesamt schafften, ihn entweder zu amüsieren oder zu erregen. Dass sie es genoss, erkannte er an der Art, wie sie seinen Handrücken fortwährend mit ihrem Daumen streichelte.
    Chapel genoss es ebenfalls - die Aufführung nicht zu mögen war schwierig. Schließlich war das der Sinn dieser Theater - die Zuschauer angenehm zu erregen und anzuspornen, es den Darstellern gleichzutun und sich ebenso schlüpfrig zu vergnügen.
    Es dauerte nicht lang, bis Prus Blick von der Bühne zum

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