Unter allen Beeten ist Ruh
auszuhalten. Das macht es mir nicht einfacher, für unsere Parzelle zu kämpfen. Manchmal wünschte ich, ich wäre Single, aber ich kann mich einfach nicht trennen. Irgendwie scheußlich: Ich kann nicht mit ihm – aber ich kann auch nicht ohne ihn.«
Das kenne ich nur zu gut, dachte Pippa, verwundert darüber, wie offen Ida Marthaler über ihre Ehe sprach.
»Aber du wirst doch nicht ernsthaft darüber nachdenken, doch an Lutz zu verkaufen?«
»Heinz hat die stärkeren Argumente. Und er hat natürlich ein Mitspracherecht, wenn es um unsere gemeinsame Parzelle geht.«
»Aber auf der Party … ich hatte den Eindruck, du bist strikt gegen den Verkauf.«
Ida zuckte mit den Schultern. »Da hat Dora auch noch gelebt. Sie war ein guter Grund, nicht verkaufen zu wollen.«
Ohne es zu wissen, hatte sie Pippa das erhoffte Stichwort geliefert.
»Da du gerade Dora erwähnst: Du warst doch in der Nacht bei ihr und hast das Testament unterschrieben. Ging es ihr da schlecht? Oder hattest du den Eindruck, sie wäre selbstmordgefährdet?«
Bestimmt schüttelte Ida Marthaler den Kopf.
»Im Gegenteil, sie war bester Laune. Ziemlich bekifft, wenn ich das so salopp formulieren darf. Außerdem war ich dort, um ihr frischen Samen vorbeizubringen, um den sie mich gebeten hatte.« Sie zögerte und fuhr dann fort: »Ich gebe aber zu, dass der Freitod eine Option war, über die Dorabella nachdachte. Aber keinesfalls in der besagten Nacht.«
»Als du das Testament unterschrieben hast … stand da schon Viktors Unterschrift?«
Ida sah verdutzt aus, und Pippa merkte ihr an, dass sie ernsthaft nachdachte, bevor sie antwortete: »Ich kann mich nicht erinnern, wirklich nicht. Ich habe gedacht, das Ding liegt da schon ein paar Tage, und diese Nacht war eine ebenso gute Gelegenheit für meine Unterschrift wie jede andere auch.«
Das klang in Pippas Ohren überzeugend, aber sie ließ es unkommentiert und fragte stattdessen: »Hätte Dorabella denn rein technisch Selbstmord begehen können, oder hätte sie in jedem Fall einen Helfer gebraucht? Wie sehr war sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt?«
»Dora litt an Fibromyalgie, hast du schon einmal davon gehört?« Sie wartete Pippas Antwort nicht ab, sondern redete gleich weiter: »Sie litt unter chronischen Schmerzen am ganzen Körper, und manchmal waren ihre Muskeln derart versteift, dass sie sich nicht bewegen konnte. Nachts hatte sie Krämpfe und Zuckungen in den Beinen, und ich weiß nicht, wann die letzte Nacht war, in der sie richtig durchgeschlafen hat. Das Cannabis hat ihr Linderung verschafft, aber es war klar, dass ihre Beschwerden sich noch weiter verschlimmern würden. Da kann irgendwann das beste Marihuana der Welt nicht mehr helfen. Es ist mir ein Rätsel, dass sie keine schweren Depressionen hatte.«
Pippa war zutiefst betroffen bei der Vorstellung, wie sehr die liebenswerte alte Dame gelitten haben musste. »Aber der Gedanke an Selbstmord …?«
»… war bei ihr kein Zeichen einer Depression«, fiel Ida ihr ins Wort, »sondern eher eine bewusste, rationale Entscheidung. Sie wollte, wenn die Schmerzen zu groß würden, nicht hilflos an Geräten hängen und in den Tod dämmern.«
»Verständlich«, murmelte Pippa, »wer kann das schon wollen? Aber hätte sie es allein tun können, oder …«
Sie kamen gerade an Erdmanns Parzelle vorbei. Pippa wurde dadurch unterbrochen, dass seine Haustür aufflog und eine völlig aufgelöste Angelika Christ den Pfad zur Pforte entlanggerannt kam. Schluchzend stürzte sie an ihnen vorbei.
»Noch eine Kandidatin für die Paartherapie. Damit sind wir schon zu dritt«, flachste Pippa, aber Ida ging nicht darauf ein, sondern sah Angelika besorgt nach und sagte: »Ich werde mal nach ihr sehen, schließlich kenne ich sie seit Ewigkeiten – und immerhin sind wir Nachbarn.«
Sie winkte Pippa zerstreut zu und folgte Angelika. Ehe Pippa sich über die plötzliche Warmherzigkeit der sonst so kühlen Lehrerin wundern konnte, lenkte der kleine Emil sie ab, der plötzlich vor ihr stand und krähte: »Kommst du mit zum Schwimmen? Die anderen sind auch da!«
Schon wieder eine Einladung zum Schwimmen, aber das Wasser dürfte kaum angenehmer temperiert sein als zwei Stunden zuvor.
»Das ist mir leider zu kalt. Und ich bin auf dem Weg zu Onkel Viktor. Wer ist denn alles da?«
»Anton und Felix und Bonnie. Und Lisa und Daniel. Und ich. Komm doch mit, das macht Spaß.«
Pippa schüttelte den Kopf. »Wir sehen uns später zum Mittagessen bei Onkel
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