Unter allen Beeten ist Ruh
zückte seinen Notizblock und setzte sich zu den Kindern an den Tisch. »Wie heißt du denn? Und woher weißt du das?«
»Ich heiße Anton. Und das ist Emil«, übernahm der Jüngere wieder das Kommando. »Wir waren doch mit Felix schwimmen, vorhin. Und dann hat Mami uns gerufen, weil wir alle zum Mittagessen zu Onkel Luis gehen wollten.«
»Gulasch«, verkündete Emil. »Mit Spätzle!«
Er sah sehnsüchtig zum Herd hinüber.
Freddy machte sich Notizen. »Wer war denn noch dabei?«
»Ich«, sagte Emil, »und Bonnie und Lisa und Sven. Wir haben uns gegenseitig nassgespritzt, das war lustig. Aber Felix wollte nicht weit reingehen, weil er ja nicht schwimmen kann.« Emil kicherte. »Ich habe schon das Seepferdchen und den Freischwimmer, und im Strandbad Tegel bin ich schon mal von der ganz großen Rutsche runter.«
»Und als ihr alle gegangen seid, um euch fürs Mittagessen umzuziehen, da war der Felix noch im Wasser?«
»Ja.« Lotte nickte wichtig. »Wo ist Felix jetzt? Will er kein Gulasch essen?«
»Ist er mit dem Hubschrauber mitgeflogen?«, fragte Emil. »Ich würde auch gerne mal mit einem Hubschrauber fliegen.«
Alle sahen sich unschlüssig an, wie viel Wahrheit die Kinder vertragen könnten.
Gerdi brach das Schweigen.
»So, alle Kästners unter achtzehn halten jetzt Mittagsschlaf. Ihr habt für heute erst mal genug getobt.«
»Wir sind auf der Insel«, rief Anton empört, »da müssen wir keinen Mittagsschlaf halten, das hast du uns versprochen!«
Gerdi seufzte, und Pippa ergriff die Initiative. »Wir haben doch die Abmachung, dass ich euch nach dem Mittagessen etwas vorlese, schon vergessen?«
»Ja, vorlesen!« Der Kästner-Nachwuchs war begeistert.
»Es ist doch okay, wenn ich gehe?«, raunte Pippa ihrem Bruder zu, und dieser nickte zustimmend.
»Du warst bei Viktor, als das Unglück passierte, richtig? Hat er mir schon erzählt.« Er lächelte kurz. »Bei seinen Mädchen. Im Hühnerstall.«
Pippa räusperte sich und las zur Freude der Kästner-Kinder die Stelle zum dritten Mal. »Emil durchwühlte die Tasche mit der linken Hand. Er befühlte und presste das Jackett von außen mit der rechten. Es blieb dabei: … «
»… Die Tasche war leer, und das Geld war weg!«, vollendeten die Kinder den Satz im Chor.
Pippa hob die Hand, als wollte sie dirigieren, und als sie auf die vier zeigte, riefen alle unisono: »Au!«
Pippa nickte und fuhr fort: »Emil zog die Hand aus der Tasche. Und nicht bloß die Hand, sondern die Nadel dazu, mit der er das Geld vorhin durchbohrt hatte. Nichts als die Stecknadel war übrig geblieben. Und die saß im linken Zeigefinger, dass er blutete.«
Pippa machte eine kurze Pause und sah in die erwartungsvollen Gesichter. »Er wickelte das Taschentuch um den Finger und weinte.«
Die Kinder brachen in Geheul aus. Die vier jammerten und schrien, flennten und schluchzten, als hätten sie sich gerade selbst in den Finger gestochen.
Unter anderen Umständen hätte Pippa mit Verve in die jammervolle Klage eingestimmt, aber die Vorkommnisse der letzten Stunden ließen sie mit echten Tränen kämpfen. Wütend über sich selbst, versuchte sie es vor den Kindern zu verbergen, aber Emil hatte ihre Traurigkeit bereits bemerkt.
»Bist du traurig wegen Felix? Weil er mit dem Hubschrauber weggeflogen ist?«
Anton ergänzte altklug: »Wenn man zu lange im Wasser bleibt, werden die Lippen ganz blau. Man muss vorher rausgehen. Hat das der Felix nicht gewusst?«
Sein Bruder stieß ihn in die Rippen. »Der konnte doch nicht schwimmen – da wusste er das nicht.«
Lotte sah Pippa mit weit aufgerissenen Augen an. »Und jetzt ist er krank, weil wir nicht auf ihn aufgepasst haben?«
Pippa klappte das Buch zu und zog die beiden kleinen Mädchen sanft an sich.
»Nein, deshalb nicht. Aber Felix ist sehr, sehr krank«, erklärte sie etwas hilflos. »So krank, dass er sterben könnte.«
Emil sah sie aufmerksam an. »Ist Felix jetzt auch in einer Kiste wie Dorabella, und darf man die auch suchen wie die kleinen Kisten, in denen so viele Überraschungen liegen?«
»Und dann kommt Dorabella wieder raus aus der Kiste, und wir tun Felix rein.« Anton machte diese Feststellung mit der Miene eines Wissenschaftlers, der endlich ein großes Geheimnis gelüftet hat.
Lotte klatschte in die Hände. »Und wer ist dann der Nächste? Tante Pippa, wer ist dann der Nächste?«
Pippa biss sich auf die Lippen, um die Fassung zu bewahren.
»Nein, Felix kommt in keine Kiste.« Hoffentlich habe ich damit
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